So billig nicht, Herr Baubürgermeister Wetzig!

Der Freund (Stephan Braunfels) hat ihm im Februar 500.000 Euro überwiesen, im Dezember überwies es der Ulmer Baubürgermeister zurück. Staatsanwaltschaften ermitteln gegen die beiden Herren. Alles scheint darauf hinauszulaufen, dass Braunfels das Geld dem Zugriff durch die bayrische Finanzverwaltung entziehen wollte. „Vereitelung einer Zwangsvollstreckung“ nennen das Juristen.

Das wird durch die Staatsanwaltschaft angeklagt, wenn der Geschädigte, also die bayerischen Finanzbehörden, den Antrag stellen. Kommt es zur Anklage und Verurteilung Braunfels, dann hat sich also der Ulmer Baubürgermeister Alexander Wetzig an einer Straftat seines Freundes beteiligt, indem er sein Konto zur Verfügung stellte, um das Geld vor dem Staat in Sicherheit zu bringen.

Schon vor ein paar Tagen holte Oberbürgermeister Gönner Wetzig zurück ins Amt. Er sei davon überzeugt, sagte Gönner zur Begründung, dass Wetzigs Finanztransaktionen in keinerlei Zusammenhang mit dessen Dienst als Baubürgermeister stünden. Deshalb könne er weiterarbeiten. Gönner tat dies, als die Ermittlungen des Staatsanwaltes noch keineswegs abgeschlossen waren. Der Ulmer OB mischte sich also direkt in die Ermittlungen der Justiz ein.

In den vergangenen Monaten landeten in Deutschland mehrere Menschen vor Gericht, weil sie vom Buffet ihres Arbeitgebers ein Brötchen gegessen oder eine Pfandmarke unerlaubterweise eingelöst hatten. Herr Braunfels und Herr Wetzig verstecken in Teamarbeit eine halbe Million Euro vor dem bayerischen Staat und bleiben ungeschoren. Ist das Recht? Ist das Gerechtigkeit? Gönner sieht an Wetzigs Handeln nichts Verwerfliches, was ihn daran hindern könnte, sein Amt weiterhin auszuüben. Was ist das für eine Moral?

Vor ein paar Jahren wurde der Ulmer Oberbürgermeisterkandidat Ahnefeld (CDU)verurteilt, weil er Geld aus der Kasse eines Vereines genommen hatte, dessen Vorsitzender er war. Heute arbeitet Herr Ahnefeld in respektabler und gut bezahlter Position in einer anderen Stadt.

2007 schadete der Aufsichtsratsvorsitzende der Ulmer Volksbank Dr. Kulitz der Bank durch seine Personalpolitik erheblich. Er wurde als IHK-Vorsitzender und als Aufsichtsratsvorsitzender der Bank wiedergewählt und spielt heute gerne die Rolle des umtriebigen Weltreisenden.

Menschen in Führungspositionen sollten nicht nur kompetent sein. Wir erwarten auch rechtlich einwandfreies Verhalten und ein bestimmtes Maß an moralischer Integrität. Ob jemand geschieden ist, in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebt, uneheliche Kinder hat ist seine Privatsache. Wenn er dabei hilft, Geld vor dem Staat zu verstecken, wird das vielleicht nicht als Rechtsverstoß geahndet, aber es bleibt moralisch verwerflich. Im 19. Jahrhundert hätte sich ein Staatsbeamter erschossen, wenn er in solche Manipulationen verstrickt gewesen wäre.

In einem Brief an die Gemeinderäte entschuldigt sich der Ulmer Baubürgermeister für sein Verhalten. Das Vertrauensverhältnis zu den Stadträten, zur Verwaltung, das der Bürger zur Stadt habe er schwer belastet und dem Ansehen des Amtes geschadet. Andererseits habe er im Amt immer rechtmäßig, kompetent und transparent gearbeitet. Am 5. Mai wolle er im Gemeinderat eine Erklärung abgeben und er hoffe, das Vertrauen der Räte wieder zu gewinnen.

Der Baubürgermeister will uns mit anderen Worten sagen, dass mit seinem Verbleiben im Amt zu rechnen ist. Oberbürgermeister Gönner hat uns bereits gesagt, dass er von dem Grundsatz, sich nicht in staatsanwaltliche Ermittlungen einzumischen, nichts hält. Und er hat uns auch gesagt, dass ihn moralische Aspekte der Taten eines hohen Verwaltungsbeamten überhaupt nicht interessieren.

Sollte die Mehrheit der Ulmer Räte untätig hinnehmen, dass Alexander Wetzig im Amt des Baubürgermeisters bleibt, wenn er seinem Freund Braunfels bei illegalen Finanztransaktionen geholfen hat, würde dadurch einem weiteren moralischen Erosionsprozess Vorschub geleistet. Am Ende trifft der berechtigte Zorn der Ulmer Bürger auch die politischen Institutionen des Oberbürgermeisters und des Gemeinderates: Sie werden an Achtung und Unterstützung verlieren. Der Legitimationsverlust des politischen Systems schreitet voran.

Man sollte Herrn Wetzig verzeihen. Gewiss. Aber im Amt des Baubürgermeisters hat er nichts mehr verloren. Eigentlich hätte er gut daran getan, selbst die Konsequenzen zu ziehen. Eine Entschuldigung ist zu billig und kann nicht alles wieder ins Lot bringen.

29.4.2010

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