oder: Verwirrt und orientierungslos
Der Polizeibericht von heute enthält eine äußerst interessante Geschichte über zwei Herren, die in der Morgendämmerung von einer motorisierten Polizeistreife in „hilflosem Zustand“im Alten Friedhof aufgegriffen und zur medizinischen Versorgung in die Universitätsklinik Ulm gebracht wurden. Wir zitieren aus dem Polizeibericht:
Bei unserer morgendlichen Routinefahrt durch den Alten Friedhof hörten wir bei herabgelassenem Seitenfenster ein leises Schluchzen und Wimmern hinter einem mächtigen Grabstein. Wir verständigten sofort die Zentrale, stiegen aus unserem Dienstfahrzeug und näherten uns vorsichtig.
Hinter dem Grabmal sahen wir zwei ca. 50 bis 70 Jahre alte Männer, der eine auf Knien, der andere flach auf dem Boden liegend. Beide Personen weinten laut vernehmlich, ihre Kleidung von bester Qualität war stark verschmutzt, überhaupt befanden sie sich in einem erbärmliche Zustand. Mein Kollege verständigte sofort den medizinischen Rettungsdienst, ich sprach unterdessen die hilflosen Männer an und erkundigte mich nach ihrem Befinden.
Während einer der Aufgegriffenen zu keiner verständlichen Äußerung mehr fähig war und fortwährend unter Schüttelkrämpfen in lautes Wehklagen und Schluchzen verfiel, erlangte der zweite schnell die Beherrschung und machte in tadelloser deutscher Sprache Angaben. Danach ergab sich folgendes Geschehen:
Die beiden Herren hatten am späten Abend des vorhergehenden Tages den Alten Friedhof betreten und nach einem Spaziergang und einer anregenden Unterhaltung über Philosophie und moderne Stadtplanung die Orientierung verloren. So sehr sie sich auch bemühten, es gelang ihnen nicht mehr, aus dem Park heraus zu finden. In den zahllosen kleinen Wegen und der absoluten Unübersichtlichkeit des verwinkelten Riesenparks sah der Befragte den Grund für die nächtliche Orientierungslosigkeit. Als wir die beiden hilflosen Männer um Angaben zur Person baten, antwortete mein Gegenüber: „Ich bin der Baubürgermeister Alexander Wetzig und der Herr auf Knien ist Christian Giers, der Leiter der Abteilung Grünflächen bei der Stadt Ulm.“
Mein Kollege und ich entschlossen uns daraufhin, erneut Kontakt zum Rettungsdienst aufzunehmen und dort zur Unterstützung zusätzlichen einen Facharzt für Psychiatrie anzufordern.“
Wir vom DF möchten diese wahre Begebenheit und fast tägliche Vorfälle, bei denen alte Mitbürger aus dem nahe gelegenen Elisa-Stift in der undurchdringlichen Wildnis des Alten Friedhofs verschwinden, zum Anlass nehmen, um nochmals eindringlich den Herrn Baubürgermeister Wetzig aufzufordern:
– Gestalten Sie den Alten Friedhof endlich zeitgemäß um!
Weg mit den vielen kleinen, verwinkelten Nebenwegen! Ein Rundweg, auf dem sich niemand verlaufen kann, genügt.
-Vor allem älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern sollte durch eine schön asphaltierte Bahn die Gelegenheit zum Biken und Skaten gegeben werden!
-Reißen Sie endlich die abscheulichen und trennenden Mauern und Tore ein, die den Park von den angrenzenden Straßen abtrennen. Freier Parkeinblick für jedermann!
-Nieder mit den Bäumen! Eine riesige Grünfläche inmitten des Alten Friedhofes würde es auch ermöglichen, dass die Senioren des nahegelegenen Stiftes sich täglich an wilden Ballspiele jeder Art auf großen Spielfeldern erfreuen können.
Bürgerbeteiligung und Bürgerverachtung
Am 30.5. 2012 kamen der Herr Baubürgermeister Alexander Wetzig und der Grünflächenplaner Christian Giers in den Alten Friedhof, um den Anwohnern ihre Pläne zur Umgestaltung des Parks vorzustellen und mit den Bürgern in einen „Dialog“ zu treten. Die erschienen Bürger waren laut Bericht der Lokalzeitung entsetzt über die Vorstellungen der Ulmer Stadtverwaltung, trugen aber ihre Einwände dennoch relativ sachlich vor.
Direkt am Park gelegen befindet sich eine Seniorenresidenz. Für viele der dort lebenden alten Menschen ist der Alte Friedhof die einzige Gelegenheit, einen Spaziergang in einem naturnahen Park zu machen. Die Pläne Wetzigs und Giers müssen diesen Menschen äußerst befremdlich vorkommen.
Vorschläge und vorgetragenen Begründungen für eine „Umgestaltung“ des Alten Friedhofs zeigen, dass die Verwaltung weit weg von Bürgern agiert und im „Dialog“ mit ihnen auch noch den gehörigen Respekt vermissen lässt, der Grundlage jeder Bürgerbeteiligung sein muss.
Tasächlich sagte Herr Giers auf die Frage, warum die vielen kleinen Wege in dem übersichtlichen Park beseitigt werden sollen: „Weil man sich dann besser orientieren kann“.
Wer solche Argumente vorträgt, zeigt, dass er sein Gegenüber für einen kompletten Deppen hält.
31.5.2012