Wir vom Stammtisch nehmen normalerweise keine Aufträge entgegen. Heute machen wir eine Ausnahme, denn der Mann, der uns bat, etwas für ihn zu erledigen, steht an der Spitze der Stadt Ulm.
Griechenlands Gesamtschuldenlast beträgt 300 Milliarden Euro. 13 % seines Bruttoinlandsproduktes musste das Mittelmeerland 2009 an Krediten aufnehmen, um seine Staatsausgaben finanzieren zu können. Seit Jahren legt der griechische Staat der EU falsche Zahlen über die wirkliche Finanzlage vor. Amerikanische Banken halfen gegen gute Bezahlung das Ausmaß der Verschuldung zu verschleiern. Seit der Staatsbankrott des Landes nicht nur möglich, sondern immer wahrscheinlicher ist, fällt der Wert des Euro gegenüber dem Dollar. Ende 2009 erhielt man an der Börse für einen Euro 1,50 $, Anfang März 2010 wird an der Börse für einen Euro nur noch 1,35 $ bezahlt.
Im März 2010 hatte die Bundesrepublik Deutschland 1.834.000.000.000 also 1834 Milliarden oder 1,834 Billionen Euro Schulden.
Bis 2013 wird sich in Ulm nach jüngsten Schätzungen der Schuldenstand auf 210 Millionen Euro erhöhen; als Ivo Gönner vor 19 Jahren Oberbürgermeister wurde, hatte die Stadt 93 Millionen Euro Schulden.
Weil der griechische Staat kurz vor dem Bankrott steht, muss er gewaltig sparen. Jeden Tag berichten die Medien über die Sparpläne. Alle europäischen Regierungen fragen sich bange, werden es die Griechen schaffen? Werden sie von den Banken wieder Kredite bekommen oder müssen die EU-Länder Griechenland Geld geben?
Auch die Stadt Ulm will sparen. „Alarmstufe“ herrsche, sagte der Oberbürgermeister. Eine „Haushalts – Strukturkommission“ berät über Einsparmöglichkeiten. Noch ehe sich deren Mitglieder darüber geeinigt haben, wie viel die nächsten Jahre eingespart werden soll, ist die Einsparsumme schon nicht mehr aktuell, weil neue Löcher bei den Einnahmen aufgetaucht sind. Die Ulmer Räte und die Verwaltungsspitzen werden die weitere Verschuldung nicht aufhalten. Anstatt alle Großprojekte sofort auf Eis zu legen, werden der Bau einer Multifunktionshalle und die grundlegende Sanierung des Ulmer Bahnhofsviertels (inklusive Verlegung eines Flüsschens) beschlossen und vorangetrieben.
Die Griechen sind die letzen zwanzig Jahre ebenso verfahren. Vom Sparen wurde immer nur geredet. Insgeheim plagen unseren OB Gönner aber, wie er dem Stammtisch anvertraute, große Ängste. Er will nicht als der Schuldenmacher in die Stadtgeschichte eingehen. Schon gar nicht möchte er dahin kommen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde Ulm die Entscheidungen aus der Hand nimmt, weil die Verwaltung Ulms „in erheblichem Umfange nicht den Erfordernissen einer gesetzmäßigen Verwaltung entspricht“ (§124 GO).
Deshalb reist der Stammtisch – im geheimen Auftrag selbstverständlich – nach Athen, um dem Genossen und Ministerpräsident Giorgos Papandreou einen Besuch abstatten und seine Erfahrungen mit der Umsetzung seines Sparprogrammes zu studieren. Von Griechenland sollen die Ulmer lernen, wie gespart wird. Und sollte auch dies schiefgehen, haben wir vom Oberbürgermeister einen weiteren Auftrag erhalten: Wir sollen in Athen anfragen, ob Politiker dort Asyl erhalten, die durch ihre Unfähigkeit und Unwilligkeit zu sparen einer Stadt großen Schaden zufügten und deshalb politisch verfolgt werden.
3.5.10