Der Bahnhofsteg verband jahrzehntelang die Ulmer Innenstadt mit dem Dichterviertel. 6000 Menschen und mehr benutzten ihn täglich auf ihrem Weg zur Arbeit oder zur Schule. Der amtierende Baubürgermeister kümmerte sich um Ulms neue Mitte. Die war ihm wichtig. Neue Gebäude, architektonisch einmalig, überregionale Beachtung. Dem Zerfall des Bahnhofssteges schaute er untätig zu – über Jahre (übrigens genauso dem Zerfall der Ulmer Stadtmauer). Der wichtigste Lokalredakteur der SWP bemerkte vom Verfall der Brücke nichts und schrieb in seiner Zeitung kein Wort darüber, dass eine Sanierung dringend nötig sei und der Bürgermeister sich gefälligst ans Werk machen solle.
2008 war die Brücke schließlich baufällig und eine Sanierung nicht mehr möglich. Sie wurde abgerissen. Der Baubürgermeister hatte zwar einen Plan für einen Brückenneubau in seiner Schublade, aber diese Brücke wäre äußerst luxuriös und verschwenderisch teuer geworden, eben so, wie der Baubürgermeister es schätzt, der nie auf den Gedanken käme, etwas Zweckmäßiges und Günstiges bauen zu lassen, nur weil es die Menschen eben brauchen. Der wichtigste Lokalredakteur der SWP wurde von der Notwendigkeit des Brückenabrisses auch ganz unvorbereitet getroffen. Zum teuren Plan des Baubürgermeisters hatte er keine Meinung, zumindest schrieb er in seiner Zeitung darüber kein einziges Wort.
Tausende mussten jetzt täglich einen großen Umweg durch eine (vor allem bei Nacht) grausige Unterführung machen. Deshalb geriet der Baubürgermeister in die öffentliche Kritik. Zu seiner Rechtfertigung führte er an, eine neue Brücke gar nicht alleine realisieren zu können, weil die Deutsche Bundesbahn für die Planung und Genehmigung zuständig sei. Dann stellte sich heraus, dass die Aussagen des Baubürgermeisters gar nicht stimmten. Die Brücke kann von der Stadt alleine geplant und gebaut werden, die Bundesbahn hat dabei nichts zu melden. Der wichtigste Lokalredakteur der SWP meldete sich jetzt energisch zu Wort. Er forderte aber nicht etwa, den Menschen möglichst schnell eine neue und nicht so teure Brücke zu bauen. Nein, er nahm den Baubürgermeister in Schutz und entschuldigte umständlich dessen Pflichtversäumnisse, Schlampereien und Lügenmärchen.
Die Brücke wird jetzt 2010 gebaut. So beschlossen es die zuständigen Gremien der Stadt Ulm. Statt zu schweigen und dadurch andere mit seinem Versagen als Redakteur vielleicht zu versöhnen, meldete sich nun der wichtigste Lokalredakteur der SWP wieder zu Wort und befand: Wegen alter Bomben, die auf dem Bauareal vermutet werden, käme der Brückenneubau viel zu teuer und am besten wäre ein Verzicht auf die Brücke gewesen, da in zehn oder zwanzig Jahren sowieso eine neue Unterführung gebaut werde.
Wir von Donaufisch wollen einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass der neue Bahnhofsteg kostengünstig gebaut werden kann. Deshalb empfehlen wir dem Bombenräumkommando aus Stuttgart: Meine Herren, schauen sie zuerst in den Redaktionsräumen der SWP und dann im Ulmer Rathaus nach. Dort werden sie zwei Blindgänger finden, die gefährlicher sind als jene auf dem Baugelände.
15.3.2009