Die Staatsanwaltschaft Ulm hat gegen den Münchner Architekten Stephan Braunfels wegen Vereiteln der Zwangsvollstreckung sowie den Ulmer Baubürgermeister Alexander Wetzig wegen Beihilfe hierzu beim Amtsgericht Ulm den Erlass eines Strafbefehls beantragt.
Wörtlich schreibt die Ulmer Staatsanwaltschaft heute in einer Mitteilung:
„Aufgrund der Ermittlungen geht die Anklagebehörde davon aus, dass der Architekt im Februar 2009 200.000 € in bar abhob und einen weiteren Betrag in Höhe von 500.000 € von einem seiner Konten auf ein Privatkonto des städtischen Mitarbeiters überweisen ließ, um diese Gelder dem zwangsweisen Zugriff des Finanzamts München zu entziehen. In Kenntnis dieser Umstände habe der städtische Mitarbeiter sein Konto zur Verfügung gestelltund erst im November desselben Jahres das ihm überlassene Geld auf Geheiß des Architekten wieder zurücktransferiert.
Entgegen des ersten Verdachts stand diese Überweisung in keinem Zusammenhang mit den Dienstgeschäften des städtischen Mitarbeiters. Jedoch wertet die Staatsanwaltschaft dessen Tun als strafbare Beihilfehandlung zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung. Hinsichtlich des städtischen Mitarbeiters beantragte sie eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Gegen den Architekten wurde eine 8-monatige Bewährungsstrafe beantragt, welche von einer Geldauflage im unteren sechsstelligen Bereich flankiert wird.
Das Amtsgericht Ulm hat den Strafbefehl antragsgemäß erlassen. Nach den der Staatsanwaltschaft vorliegenden Informationen hat einer der beiden Beschuldigten bereits Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.“
Die juristische Bewertung des Falles Alexander Wetzig ist nur die eine Seite; die andere ist die politische.
Während man als Mensch geneigt ist, die Hilfsbereitschaft des Freundes als sympathischen Charakterzug anzuerkennen, muss der politisch Denkende einen anderen Blickwinkel einnehmen. Ihm stellt sich eine Reihe von Fragen:
Darf der Chef einer städtischen Baubehörde so dumm sein anzunehmen, solche Finanztransaktionen blieben unentdeckt? Ist ein privat so naiver Mensch in dienstlichen Angelegenheiten klüger und reifer?
Kann jemand, der im Ulmer Rathaus durch seine Verfehlungen erheblich an Achtung eingebüßt hat, weiterhin der Baubehörde vorstehen? Ist der Verfall seiner Autorität nicht bereits so weit fortgeschritten, dass er als Chef bei seinen Mitarbeiter keine Akzeptanz mehr finden wird?
Hat es nicht für alle Beschäftigten der Stadtverwaltung eine äußerst negative Wirkung, wenn strafrechtliche Verfehlungen eines Behördenchefs letztlich ohne jede Auswirkung auf seine dienstliche Stellung bleiben? Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, ein Schulleiter ließe sich ähnliche Verfehlungen wie Wetzig zuschulden kommen. Wäre er an seiner Schule noch zu halten?
Es war nur geringe kriminelle Energie, die Wetzig antrieb, hauptsächlich war es Einfalt. Dennoch sollte er sich andere öffentlichen Personen zum Vorbild nehmen, wenn er den von ihm angerichteten Schaden wieder gutmachen und weiteren Schaden von der Stadt Ulm abwenden möchte. Zum Beispiel könnte Alexander Wetzig es der ehemaligen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche in Deutschland gleichtun:
Margot Käßmann trat am 24.2.2010 von ihren Ämter als Bischöfin und Ratsvorsitzenden der EKD zurück, weil sie sich in alkoholisiertem Zustand ans Steuer eines Autos gesetzt und bei Rot eine Ampel überfahren hatte und dabei erwischt worden war.
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Zur Information
Vorstrafe
Eine Person gilt als vorbestraft, sobald gegen sie eine Strafe in einem Strafprozess ausgesprochen oder ein Strafbefehl verhängt wurde und diese Maßnahme rechtskräftig geworden ist. Die Höhe der im Urteil verhängten Strafe (zeitliche Freiheits- oder Geldstrafe) oder die Höhe des Strafbefehls ist hierbei unerheblich. Auch eine Verurteilung auf Bewährung gilt als Vorstrafe.
Führungszeugnis
Ab einem Alter von 14 Jahren wird das Führungszeugnis auf Antrag vom Bundeszentralregister in Bonn erstellt.Dort werden die jeweiligen Vorstrafen in einem Register geführt. Ob und wie lange Vorstrafen in dem Register gespeichert und Auskünfte darüber erteilt werden, ergibt sich aus den Vorschriften zum Bundeszentralregistergesetz (BZRG).Folgende Registereinträge finden keinen Eingang in das Führungszeugnis (Aufzählung ist nicht abschließend):
– Jugendstrafen bis zu einer bestimmten Höhe,
– erstmalige Geldstrafen, die nicht höher als 90 Tagessätze liegen (§ 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG),
– erstmalige Verurteilungen von drogenabhängigen Straftätern, die zwei Jahre Freiheitsstrafe nicht überschreiten…
(Quelle: Wikipedia)
12.11.2010