Das Donaubüro braucht ein neues Image

Das Donaubüro ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es verfolgt das Ziel, von Ulm aus Kontakte in andere Donaustädte zu knüpfen. Der Leiter, Peter Langer, erkundet auf zahlreichen Dienstreisen Investitionsmöglichkeiten für die Ulmer Wirtschaft und organisiert das weithin bekannte Donaufest, ein kulturelles Ereignis ganz eigener Klasse. Durch seine Tätigkeit erwarb sich Langer den Ruf, ein profunder Kenner politischer und sozialer Verhältnisse in den Donauländern zu sein. Zeitweilig wurde er als „Ulmer Außenminister“ bezeichnet. Doch nun trübte ein Ereignis die Erfolgsgeschichte. Sofortiges Handeln war angezeigt.
Im November 2007 veröffentlichte der Chefredakteur der Lokalpresse einen Kommentar, der den Leiter des Donaubüros ganz unvorbereitet traf. Darin wird Direktor Langer vorgeworfen, dass er sich bei Kontakten mit Medien häufig „vergaloppiert“, „überzogenes Großreden“ pflege und durch „verbale Vermessenheit“ auffalle. Durch diese Angriffe und die dadurch bewirkten Beschädigungen aufgeschreckt traf Direktor Langer Vorkehrungen. Zukünftig sollte es keinen Anlass für hinterhältige Attacken der Presse mehr geben.
Eine Ulmer Werbeagentur wurde beauftragt, für eine professionelle Außendarstellung des Donaubüros und seines Direktors zu sorgen. Der Inhaber der Agentur, Dr. Peter Zwey, ist freier Werbetexter, Journalist, Kulturberater, Eventmanager, Coach und Redenschreiber. Zwey widmet sich schon einige Zeit seiner neuen Aufgabe. In einem Weblog korrespondiert er mit einer Dame in Belgrad; im lockeren Dialog über gesellschaftliche und politische Sujets will der Eventmanager das Interesse des Publikums für die Donauländer wecken. Wenn Zwey gerade nicht im Blog mit der „lieben Daniela“ plaudert, investiert er seine Talente, um Peter Langer z.B. in gut inszenierten Interviews die Aura von Sachkompetenz und Autorität zu verleihen. Man merkt sofort, der Berater verfügt auch über Erfahrung als Theaterregisseur.
Kaum hatte Zwey mit seiner Arbeit angefangen, meldeten sich schon die ersten Kritiker aus der subversiven Szene Ulms. Das böse Wort von „Langers Jubelperser“ macht die Runde, Lästerzungen sprechen von einem neuen „Absahner“, der am reich gedeckten Tisch des Donaubüros Platz genommen habe. Auch politische Kritik ist zu hören. Herr Dr. Zwey hat sich in einigen öffentlichen Bemerkungen zu Personen wie Bischof Mixa, Erzbischof Meisner, Ernst Jünger und Erzherzog Otto von Habsburg bekannt und in Blogbeiträgen die Studentenrevolte von 1968 verteufelt. Das alles ficht Herrn Langer, SPD, nicht an. Ob jemand reaktionäre politische Positionen vertritt, ist irrelevant; was zählt ist der Erfolg.
So darf der staunende Ulmer Bürger wohl in absehbarer Zeit damit rechnen, dass Herr Dr. Zwey mit einer Dozentenstelle an der Donau-Akademie belohnt werden wird. Wir vom Donaufisch sind schon gespannt auf das Thema der ersten Ulmer Poetikvorlesung. Wird uns Herr Dr. Zwey darlegen, welches Verhältnis Ernst Jünger zum Nationalismus hatte?
Apropos Nationalismus. Die ersten Erfolge des Coachs Zwey sind bereits zu verzeichnen. Ein Interview, das er mit Langer über serbischen Nationalismus führte, zeigte umgehend Wirkung: Außenminister Frank Walter Steinmeier bot Langer die Stelle eines Referatsleiters im Bundesaußenministerium an.
Als wir am Stammtisch über das Donaubüro sprachen, tauchte auch die Frage auf, was denn eigentlich „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ bedeute. Nimrod meinte, das heiße im Falle des Donaubüros, dass für die Einhaltung bestimmter moralischer Werte nur beschränkt Haftung übernommen werde.

Im SS 2008 finden an der Donau-Akademie Ulm folgende Vorlesungen statt:

Wie Bischof Mixa die Rolle der Frau und die Familie sieht
Erzbischof Meisner – Fachmann für „entartete Kunst“
Ist Otto von Habsburgs Herrschaftsanspruch als Kaiser von Österreich berechtigt?
Ernst Jüngers grandioser Roman „In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers“
Die 68er – eine Heimsuchung für unser Vaterland

Gaststudenten melden sich bitte im Donaubüro an.

Werbung

Donauakademie – ein Lehrstück aus dem Provinztheater Ulm

Nun ist es also bald soweit : Im Juli 2008 öffnet die Donauakademie. Trotz vieler wortreicher Erklärungsversuche kann niemand genau sagen, welche konkreten Aufgaben diese Einrichtung erfüllen wird. Viele Gedanken hat sich das Donaubüro indessen darüber gemacht, wer in welchen Gremien an der Akademie beteiligt sein soll. Mit anderen Worten : Während die inhaltlichen Vorstellungen noch recht mangelhaft sind, ist der bürokratische Apparat schon fast fertig. Der Inhalt eines Theaterstückes aus der Provinz? Nein, leider Realität.

In einer Broschüre wird den Bürgern erklärt, dass „der Strom gleichsam ein Symbol für die Völkerverständigung“ sei und es um nichts weniger als die „Wiedergewinnung des modernen europäischen Geistes der Aufklärung“ ginge , um „Toleranz und Humanismus“ und um einen „Beitrag zum europäischen Integrationsprozess“. Donnerwetter! Da wurden gleich mehrere geistesgeschichtliche Strömungen aus verschiedenen Jahrhunderten zu Paten einer Akademie ernannt, die nur auf dem Papier und in Feiertagsreden existiert. Welche Kritiker könnte angesichts der Berufung auf anspruchsvolle Ideen von Renaissance und Aufklärung noch Einwände erheben?

Um einem Missverständnis vorzubeugen : Ich wende mich nicht dagegen, dass die Kontakte zwischen Menschen und gesellschaftlichen Einrichtungen in verschiedenen Donaustädte ausgebaut und verbessert werden.
Es ist gut und verdient Unterstützung, wenn Sportvereine, Theater, Museen, bildende Künstler, Musiker, Schulen und Jugendgruppen sich um Kontakte in anderen Donaustädten bemühen, wenn sie dorthin reisen und Gäste von dort empfangen. Es ist gut, wenn Ulmer Mediziner Kollegen aus anderen Donaustädten einladen, um mit ihnen zu arbeiten und ihnen Weiterbildung zu ermöglichen. Es ist gut, wenn der Tübinger Kulturwissenschaftler Reinhard Johler Forschungen zu ethischen Konflikten im Donauraum, zu Migration und zu Fragen einer europäischen Identität anstellt.
Aber müssen wir jeder gesellschaftlichen Aktivität gleich eine bürokratische Organisation überstülpen, müssen wir immer gleich einen bürokratischen Wasserkopf installieren? Für wie unfähig halten wir Menschen in unserer Gesellschaft?

Nicht zuletzt durch die Entstehung und das beständige Anwachsen einer kostspieligen EU-Bürokratie sind die Bürger in vielen Ländern gegenüber der fantastischen europäischen Idee mißtrauisch geworden (Ergebnis der Volksabstimmung zur EU-Verfassung z.B. in Frankreich). Haben unsere Bürokraten in Ulm davon nichts gelernt? Ulm braucht keine Donauakademie und keinen Stadtkommissar für kulturellen Austausch und Völkerverständigung. Die Organisation kultureller und wissenschaftlicher Zusammenarbeit entlang der Donau sollten wir besser gesellschaftlichen Kräften überlassen, staatliche und städtische Einmischung oder Bevormundung schadet und verbraucht Steuergelder, die besser investiert werden können. Wieviele Schulklassen, Jugend- und Studentengruppen können mit den Geldern, die im Donaubüro und der Donauakademie versickern, nach Bratislava, Vukovar, Novi Sad oder Tulcea reisen als Botschafter der Stadt Ulm? Wieviele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus diesen Städten können mit diesem Geld nach Ulm kommen und hier bewirtet werden oder eine Ausbildung absolvieren? Es gibt sicher viele Beispiele für sinnvolle und unterstützenswerte Kontakte.

Da die Ulmer Stadtverwaltung seit 2001 über eine Koordinierungsstelle für Europaangelegenheiten verfügt, ist auch dafür Sorge getragen, dass sämtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden, EU- Zuschüsse für die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Donaustädten zu erhalten. Frau Dorothea Hemminger, die Europakoordinatorin Ulms, ist dieser Aufgabe gewiss gewachsen, ohne dabei auf die Hilfe von Donaubüro oder Donauakademie angewiesen zu sein.

Bleibt am Ende nur eine Frage: Welcher Gemeinderat, OB-Kandidat oder Lokaljournalist hat als erster den Verstand und den Mut, öffentlich Kritik an Donaubüro und Donauakademie zu äußern?