Aus der Traum?
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Die Mitglieder der EnerGen Süd werden überrascht, wenn nicht gar geschockt gewesen sein, als sie am 16.11.2011 in der Südwestpresse einen Artikel entdeckten, der ihnen mitteilte, dass ihr Strom- und Gasversorger in einer Krise steckt: 3,67 Millionen Euro wird das Jahresdefizit betragen.
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Die Genossenschaftsmitglieder hatten vor diesem Bericht von ihrem Vorstand nichts, aber auch gar nichts von diesen Schwierigkeiten erfahren. Vielen Genossen dürfte es sauer aufgestoßen sein, dass ihr Vorstand sie weder auf der Internetseite der Genossenschaft noch durch ein Rundschreiben (Email) vorgewarnt hatte. Das letzte, was sie von ihrem Vorstand erhielten, waren Jahresabrechnungen. Diese kamen im August, und da sie gravierende Fehler enthielten, wurden sie im November (vor der Berichterstattung in der SWP) durch korrigierte Abrechnungen ersetzt, die vermutlich schon wieder fehlerhaft sind.
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Für die 3,76 Millionen Euro erwartetes Defizit 2011 trage, so wird behauptet, der ehemalige Finanzvorstand Heinz Sihler die Verantwortung. Er habe, so heißt es, vergessen, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz in die Preiskalkulation einzubeziehen, so dass der Strom viel zu preiswert an die Mitglieder geliefert worden sei.
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Der nun amtierende Vorstand – ihm gehören Jürgen Kübler und Harald Claus an –,der die SWP informiert hat, brachte auch zum Ausdruck, dass der Finanzvorstand Sihler wegen der Verfehlungen „gefeuert“ worden sei.
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Am 18.11., also nur zwei Tage später, erschien in der Südwest Presse erneut ein Bericht über die EnerGen Süd. Dieses Mal äußerte sich der ehemalige Finanzvorstand Sihler, der in allen wesentlichen Punkten den gegen ihn erhobenen Vorwürfen widersprach.
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Er sei nicht raus geflogen, sondern habe selbst seinen Dienstvertrag am 18.4.2011 fristlos gekündigt. Die Vorstandskollegen hätte ihn sogar gebeten, bis Juli im Amt zu bleiben oder seine Arbeit auf Honorarbasis bis zum Ende des Jahres fortzuführen. Für das Defizit sei nicht er verantwortlich, sondern eine ab Januar 2011 geltende Neuregelungen zur Abführung der Umlage. Schon im Herbst 2010 habe er verlangt, die Strompreise für die Mitglieder zu erhöhen; andere Verantwortliche der Genossenschaft hätte dies aber abgelehnt.
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So ist der Stand der Dinge. Der schwarze Peter wird zwischen den Verantwortlichen hin- und hergeschoben.Der amtierende Vorstand will das Defizit mit einem Bankkredit ausgleichen. Und was soll das einfache Mitglied der Genossenschaft von diesen Ereignissen halten?
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Es war eine gute Idee, mit der Gründung einer Energiegenossenschaft z.B. den Stadtwerken Ulm einen ernst zu nehmenden Konkurrenten entgegen zu stellen. Auch war es ein guter Plan, den Energieverbrauchern Gas und Strom günstiger anbieten zu können, weil der bürokratische Apparat einer Genossenschaft kleiner ist und kostengünstiger arbeiten kann.
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Allerdings nützten alle Pläne und Idee nichts, wenn ein Vorstand derartige Fehler macht. Jeder Kunde (auch ein Genossenschaftsmitglied) hat eine Erwartung, die auf keinen Fall enttäuscht werden darf: Das Unternehmen, bei dem man einkauft, muss seriös sein, d.h. es darf auf keinen Fall zu Schlampereien bei der Abrechnung oder der Lieferung der Ware kommen. Offensichtlich wurde aus den Fehlern bisher auch zu wenig gelernt, sonst gäbe es diesen unwürdigen Streit um Verantwortlichkeiten nicht.
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Die Entschuldigung, dass die Genossenschaft zu unkontrolliert und zu schnell gewachsen sei, ist nicht akzeptabel. Es wäre Aufgabe der Vorstände gewesen, die Aufnahme neuer Mitglieder vorläufig zu stoppen, um ein gewissenhaftes Arbeiten der Verwaltung sicherzustellen.
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Nun dürfte das Vertrauen vieler Mitglieder erschüttert sein, und es wäre niemandem zu verdenken, wenn er aus dem Chaos, so wie es sich in der Öffentlichkeit darstellt, Konsequenzen zieht.
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Wie auch immer es mit der Energiegenossenschaft Süd weitergehen mag, wir hoffen, dass sie die Krise übersteht und auch dann noch zu akzeptablen Preisen Gas und Strom verkaufen wird, denn der Weg, marktbeherrschenden Energieversorgern einen Konkurrenten entgegenzustellen, ist richtig.
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/ 24.11.2011