Auch wir vom Stammtisch können uns der allgemeinen vorweihnachtlichen Stimmung nicht entziehen. Das Fest der Liebe und des Friedens steht vor der Tür. Das stimmt uns milde und versöhnlich und nährt unsern Überdruss an Kritik und Spott. Deshalb diskutieren wir schon einige Zeit über mögliche karitative Aktionen. Da sich fast alle Organisationen nur um die Schwachen kümmern, waren wir uns schnell einig, dass auch Einflussreiche und Prominente, die in Not geraten sind, Hilfen bekommen müssen. Deshalb wird sich unsere Weihnachtsaktion um einen prominenten Menschen kümmern. Wer unterstützt werden wird, entscheiden Sie, verehrter Wirthausbesucher. Wählen Sie also unter den folgenden Personen eine aus und teilen Sie uns mit, wem geholfen werden muss.
Da wäre zunächst der 74jährige Unternehmer Adolf Merckle. Er gilt als einer der reichsten Männer Deutschlands. Sein Firmenimperium ist so groß, dass er selbst nicht mehr weiß, welche Firmen ihm gehören und an welchen er beteiligt ist. Wie Merckles Vermögensverwaltung vermutet, arbeiten ca. 100000 Menschen für ihn und erwirtschaften einen Jahresumsatz von 35 Milliarden Euro. Bei diesen Dimensionen wundert sich selbst der Laie nicht, wenn ein Chef mal den Überblick verliert. Und so stellte Herrn Merckle eines Tages bei einem Blick in die Firmenkasse plötzlich fest, dass 1 Mrd. Euro fehlen; jetzt hat er unterstützt von einem Redakteur der Zeitschrift „Handelsblatt“ nochmal nachgezählt und gemerkt, dass es vielleicht doch fast 5 Mrd. sind. Seine Aktien, die er bei Kreditaufnahmen als Sicherheiten eingebracht hatte, hatten erheblich an Wert verloren. Sicher ging es Herrn Merckle wie vielen von uns, wenn wir Monopoly spielen. Zwar sind wir bodenständig und bescheiden, aber wenn wir dann eine Straße gekauft, ein Hotel errichtet und damit den Mitspielern viel Geld abgenommen haben, kommt aus den Tiefen unserer Seele ein Gefühl, das manche als Gier bezeichnen. Wir vom Donaufisch wollen Herrn Merckle helfen. Dazu brauchen wir Geld, weil ihm weder die Banken noch die Landesregierung von Baden-Württemberg welches geben wollen. Was halten Sie, verehrter Wirtshausbesucher von landesweiten Skat-, Schafskopf- und Binokelturnieren? Das zu bezahlende Startgeld, Einnahmen für die Übertragungsrechte im Lokalfernsehen usw. würden dann direkt an Herrn Adolf Merckle weitergeleitet.
Ein anderer Vorschlag für unsere Weihnachtsaktion wäre, dem Ulmer Oberbürgermeister Gönner dabei zu helfen, aus einer großen Misere herauszukommen. Denn der populäre Politiker steht kurz davor, alles Ansehen, das er in den vergangenen Jahren erworben hat, zu verspielen. Was werden die Ulmer über ihren OB sagen, wenn in ein paar Monaten ein amerikanisches Gericht in New York der Stadt ihre Kanalisation wegnehmen wird? Wenn die Ulmer zusätzlich zu den schon verlorenen drei Millionen unzählige weitere Millionen bezahlen müssen, um die Kanalisation weiter nutzen können? Nein, so weit darf es nicht kommen. Wir vom Donaufisch-Stammtisch haben Verständnis für Herrn Gönner. Immer dieses biedere, brave bürgermeisterliche Agieren. Das hatte unser OB einfach satt. Er wollte wie die Banken und manche Unternehmer auch mal was wagen und allen zeigen, was er für eine Kanone ist – auf allen Gebieten. Ein kleines turbokapitalistisches Toprenditegeschäftchen einfädeln. Er konnte ja wirklich nicht wissen, dass in dem Vertrag, den er mit der amerikanischen Bank geschlossen hat, einiges drinsteht, was für Ulm katastrophale Folgen haben kann, schließlich ist er in Englisch verfasst. Deshalb unser Vorschlag: Wir stellen eine Delegation zusammen (darunter auch Personen, die der englischen Sprache mächtig sind und selbstverständlich der Oberbürgermeister); diese reist nach Pittsburgh zu der Bank, an die Gönner die Kanalisation verscherbelt hat. Dort bitten der Oberbürgermeister und seine Begleiter inständig darum, aus dem CBL-Vertrag vorzeitig und möglichst kostengünstig entlassen zu werden. Vielleicht könnten wir vom Stammtisch durch eine Sammelaktion das Geld für die Flugtickets und für die Übernachtung in einem billigen Hotel auftreiben.
Unser letzter Kandidat für die Donaufisch-Weihnachtsaktion 2008 ist der Grüne Stadtrat Markus Kienle. Seit 14 Jahren im Ulmer Gemeinderat genießen viele politische Ziele, die er verfolgte, unsere Sympathie. Er trat für eine städtisch geförderte Altbausanierung zur CO2-Reduzierung ein, für mehr Kinderkrippenplätze und mehr Personalstellen in Kindergärten, verlangte, dem Öffentlichen Personennahverkehr vor dem Straßenbau den Vorrang einzuräumen und beeindruckte uns vom Stammtisch, indem er gelegentlich mutig unserem Stadtmonarchen Gönner und seinem willfährigen Hofstaat widersprach. Das fällt vor allem in einem Gemeinderat auf, in dem es so viele Schleimspuren gibt, dass man leicht auf ihnen ausrutscht. Doch bei seiner engagierten politischen Tätigkeit vernachlässigte der gelernte Pädagoge und Kulturwissenschaftler sein berufliches Fortkommen. Und nun steht der 45jährige ohne einträglichen Job und sicherer Altersversorgung da. Was tun? Wie im Theater in einem Drama von zweifelhafter Qualität erleben die Ulmer dieser Tage, wie aus einem strahlenden Helden eine jämmerliche Figur wird, die unser Mitleid verdient: Herr Kienle bewirbt sich um eine Stelle als Rathausangestellter. Dieses Schicksal müssen wir dem Grünen ersparen. Auch in Zeiten der wirtschaftlichen Krise müsste es doch möglich sein, für Herrn Kienle eine sinnvolle und einträgliche Beschäftigung außerhalb der Stadtverwaltung zu finden. Wir können und wollen uns nicht vorstellen, dass aus Ulms hoffnungsvollstem Oppositionspolitiker der Stallknecht Gönners wird und sich alle treuen Wähler der Grünen genarrt fühlen. Sollte Herr Kienle als Weihnachtsaktionskandidat ausgewählt werden, würden wir eine Kampagne starten, die sich zum Ziel setzt, bei allen Ulmer Unternehmern dafür zu werben, Herrn Kienle in ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen.
11.12.08