Zu Beginn des neuen Jahres erreicht uns eine Katastrophenmeldung aus der Innovationsregion Ulm. Das Verlagshaus Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG plant, die gesamte Lokal- und Kulturredaktion der in Ulm erscheinenden Südwest Presse aufzulösen. Der Geschäftsführer des Verlages T.Brackvogel erklärte, dass es infolge des starken Schwundes an Anzeigen und Lesern zu Gewinneinbrüchen gekommen sei, die durch eine weitere Erhöhung des Verkaufs- und Abonnementspreises nicht ausgeglichen werden könnten. Deshalb führe kein Weg daran vorbei, die zwei Millionen Euro Personalkosten, die jährlich für die etwa 40 in der Kultur- und Lokalredaktion tätigen Journalisten ausgegeben würden, um mindestens 75 Prozent zu senken. Zu diesem Zweck habe der Verlag bereits ein Kooperationsabkommen mit dem in Indien (Hyderabad) ansässigen Unternehmen „International Text Factory“ (ITF)abgeschlossen.
H.J. Wiedenhaus, der Chefredakteur der SWP, hob hervor, dass die Bürger Ulms und der angrenzenden Regionen künftig nicht auf einen kompetenten, pfiffig gemachten, äußerst informativen und unterhaltsamen Lokal- und Kulturteil verzichten müssten. „International Text Factory“ verfüge über viele bestens ausgebildete deutschsprachige Journalisten, die zu einem relativ niedrigen Tagestarif ihre Arbeit professionell verrichteten und wegen der niedrigen Lebenshaltungskosten in Hyderabad gut von ihren Einkünften leben könnten. Moderne Kommunikationsverbindungen machen es Wiedenhaus‘ Einschätzung zufolge möglich, alle Informationen aus Ulm in wenigen Sekunden nach Indien zu übermitteln.
Wie wir von Stammtisch erfuhren, werden in Zukunft alle Sitzungen des Ulmer Gemeinderates und seiner Ausschüsse per Live-Video oder Podcast in die Redaktionsräume von ITF übertragen. Organisiert wird diese Übertragung von „Team Ulm“, das bereits in der Vergangenheit bewerkstelligte, dass Lokalfeste aus Ulm in aller Welt live verfolgt werden konnten. Außerdem sorgt ein Heer freiwilliger Mitarbeiter (darunter alleine 350 Rentner und Rentnerinnen) in Ulm gegen ein geringes Entgelt (Minijobs) dafür, dass Ton- und Bilddokumente von allen gesellschaftlich und politisch relevanten Ereignissen beschafft und nach Indien weitergeleitet werden.
Oberbürgermeister Gönner zeigte Verständnis für die Entscheidungen der Neuen Pressegesellschaft, verlangte aber, dass allen betroffenen Journalisten und Journalistinnen die Möglichkeit geboten werde, von Ulm nach Hyderabad zu wechseln und dort mit einem neuen Arbeitsvertrag der gewohnten Tätigkeit nachzugehen. Der bisherige Leiter der Lokalredaktion, Hans-Uli Thierer, wird dem Vernehmen nach in die Dienste der Stadt Ulm treten und dort seine gute Öffentlichkeitsarbeit für den Oberbürgermeisters und seine Verwaltung fortsetzen. Gönner wörtlich: „Auf diesen Mann kann ich nicht verzichten. Wenn Sie mir einen kleinen Scherz gestatten: Das ist mein Propagandaminister.“
Wie am Rande verlautete, will auch die Stadt Ulm Einsparungen im personellen Bereich erreichen. So soll demnächst die Stelle der Ulmer Kulturbürgermeisterin ersatzlos gestrichen werden. Deren Aufgabe, die täglichen, wöchentlichen und monatlichen Auslastungsquoten des Ulmer Theaters zu erheben und zu kommentieren, wird bald durch das in Mannheim ansässige ZUMA (Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen) geleistet – und das zu einem wesentlich günstigeren Preis.
14.1.2009