Rivoir, die Bibel und das Spekulationsgeschäft

Der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir (SPD) liest eine von ihm ausgewählte Bibelstelle vor, versucht sie zu interpretieren, redet über Bibelzitate und gibt mit einer Reise nach Israel an. Das sprachliche und intellektuelle Niveau der Äußerungen ist erschreckend. So redet und denkt unsere politische Elite?

“Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt” schrieb Ludwig Wittgenstein (Logisch philosophische Abhandlung).

Was man wissen sollte, um die Ausführungen Rivoirs zum Bibelzitat beurteilen zu können: Er ist nicht nur MdL in Stuttgart, sondern auch Gemeinderat in Ulm.

Am 26.5.2003 stimmte er im Gemeinderat für das Cross-Border-Leasing-Geschäft zwischen den Ulmer Stadtwerken und der Pittsburgh National Corporation, nachdem er sich zuvor begeistert für dieses Spekulationsgeschäft eingesetzt hatte. Das CBL-Geschäft war und ist zum großen Schaden der Stadt Ulm, Verluste in Millionenhöhe sind eingetreten bzw.werden noch erwartet.

Wie lautet ein früher Buchtitel Erhard Epplers „Das Schwerste ist Glaubwürdigkeit“.

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

Matthäus 6,19-21

Herr Rivoir meint:

„…und des is für mich sozusagen, wenn ich es so betrachte in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise – sag ich mal – eine Handreichung oder eine Aussage, die durchaus auf viele Bereiche – äh – in unserem, in der Politik, aber auch in der Finanzwelt im Moment zutrifft, also die Mahnung, nicht gierig zu sein, sondern mit Menschlichkeit, mit Barmherzigkeit, mit Gerechtigkeit umzugehen, nicht die gewaltsame Auseinandersetzung auch gerade im Wirtschaftsbereich zu suchen, sondern Solidarität walten zu lassen…

…und ich denke des isch ein Bibelzitat, des gerade in der heutigen Zeit – in die heutige Zeit passt – äh – wie ich sowieso jetzt beim Lesen oder beim Suchen, beim Schmökern in der Bibel – geb ich gerne zu, dass ich des nicht jeden Tag mache – auf Anlass zur Vorbereitung auf dieses Interview ja durchaus des ein oder andere gefunden habe, was man sozusagen im alltäglichen Leben auch verwendet an Zitaten und des is einfach interessant und toll wie die Bibel mit Zitaten , die heute alltäglich sind – auch verwendet werden schon vor den vielen, vielen Jahren sozusagen uns einen Weg gewiesen hat. Ja…

Und vielleicht kann ich auch so ganz aktuell unabhängig von diesem Zitat einfach noch mal auch so erzählen, dass ich jetzt gerade jüngst in Israel war und eben auch dann sehr viele Stätten – äh – gesehen hab, die in der Bibel natürlich vorkommen – mit meiner Tochter, die Abitur gemacht hat – und des war auch wieder nach einigen Jahren einfach ein tolles Erlebnis den Bezug, man erinnert sich auch an die Kindheit, an die Konfirmation, all die Dinge, wo man dann -äh – die Stätten und die Sachen auch behandelt hat und sich damit auseinander gesetzt hat…

und – äh – es ist einfach eine tolle Erfahrung auch auch gewesen, die einen dann auch wieder durchaus auf des rückbesinnen lässt, was in diesem Alltagsgeschäft, des wir ja durchaus dann in der Politik haben, manchmal zu kurz kommt…“ (Quelle: abgeordnetenbibel)

Otto, Das Wort zum Montag (Auszug)

14.12.2012

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Verunstaltete Sprache

 

In seinem kurzen Aufsatz „Die fatale Kunst, nichts zu sagen“ beschäftigt sich der Tübinger Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer mit der Verarmung der Gegenwartssprache. Seine Diagnose lautet: das Gefühl für Stimmigkeit geht den Schreibern und Sprechern verloren.

Statt von „Kollegen“ werde von „strategischen Partnerschaften“ gesprochen, aus „Nachdenken über Zusammenhänge“ werde „Nachhaltigkeitsphilosophie“.

Wie ein literarischer Text, der aus der Bibel stammt, in „bürokratische Un-Menschen-Sprache“ übersetzt klingt, demonstriert Wertheimer an einem Beispiel:

In der Bibel heißt es:
„Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel zu grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden“ (Kohelet 1,18)

Die verunstaltete Version:
„Angeborene oder erlernte intellektuelle Fähigkeiten stehen nicht notwendigerweise in einem ausgeglichenen Verhältnis zu daraus erwachsenden emotionalen Befindlichkeiten. Die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten kann im Ausnahmefall sogar zu einer Erhöhung der affektiven Sensibilität führen.“

Im Juli 2012 erscheint in der Südwest Presse ein Kommentar zur finanziellen Situation der Stadt Ulm mit dem Titel: „Stadthaushalt: Unheimliches Ulm“.

Der Verfasser will in seinem Kommentar ausdrücken, dass es Ulm finanziell sehr gut geht, neue Schulden vermieden und Altschulden getilgt werden können und die Stadt sogar noch in der Lage ist, Millionen zu investieren. Während der Finanzbürgermeister sparsam mit dem Geld umgehe, müsse befürchtet werden, dass die Stadträte unfähig seien, sich angesichts der guten Haushaltslage zu mäßigen.

Statt diese Meinung klar und verständlich zu Papier zu bringen, quält der überforderte Journalist seine Leser mit teils hilflosem, teils unverständlichem Gestammel.

In dem Text, der nur um weniges gekürzt wurde, heißt es:

„Es ist ja schon irgendwie unheimlich, dass um einen herum täglich die Welt untergeht, während in Ulm heiter bis fröhlich der Aufbruch in eine immer noch glorreichere Zukunft gefeiert wird, und das auch noch buchstäblich mit gutem Grund: Eine neue Schuldenaufnahme ist nicht nötig, der Schuldenstand wird vielmehr weiter zurückgeführt…

Es ist in Anbetracht dieser Lage irritierend, dass Kanzlerin Merkel ihren Wohnsitz noch nicht nach Ulm verlegt hat, findet sie hier im Kampf gegen die Schuldenfront doch die von ihr gerühmte „schwäbische Hausfrau“ auf das Bodenständigste beheimatet.

Es folgt Teil zwei der Wahrheit, der noch unheimlicher ist. Während die Stadt Schulden tilgt, tätigt sie Millionen-Investitionen, als gäbe es keine Zinsen und Steuern weiter reichlich. Was soll man davon halten? Schwierige Frage. Doch Begriffe wie „Maß halten“ und „Prioritäten setzen“, die die Finanzverwaltung vorgibt, sind viel zu lange in der Welt, als dass sie nicht auch mal das Heft des Handelns in Ulm bestimmen sollten…

Nun gut: 160 Millionen Euro sind die Schulden-Obergrenze, die sich die Stadträte selbst gesetzt haben. Bei 100 Millionen hat man damit einen Puffer von 60. Au weia. Wer schützt die Stadträte vor sich selbst?“
(Südwest Presse/17.7.2012)

Der Wortschatz des Verfassers stammt aus den verschiedensten Bereichen: der Technokraten- und Bürokratensprache („der Schuldenstand wird zurückgeführt“), der Sprache von Comics („Au weia“), der Kriegsberichterstattung („Kampf gegen die Schuldenfront“), der Umgangssprache („irgendwie unheimlich“).

Missglückte Bilder („Begriffe wie Maßhalten und Prioritäten setzen (sollten) auch mal das Heft des Handelns in Ulm bestimmen“) verunstalten den Text ebenso wie lächerliche Ausdrucksweisen („Es folgt Teil zwei der Wahrheit, der noch unheimlicher ist“) oder völlig absurde Gedanken. („irritierend, dass die Kanzlerin ihren Wohnsitz noch nicht nach Ulm verlegt hat“)

Offensichtlich schafft es der Verfasser nicht, seine Person zurückzustellen. Sein krampfhaftes Bemühen um Originalität wird in jedem Satz erkennbar. Der Text ist ein gutes Beispiel dafür, was der Tübinger Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer als Verlust des Gefühls für die Stimmigkeit der Sprache bezeichnet.

Werden die Artikel von Fachwissenschaftlern, die die SWP veröffentlicht, von Journalisten der Ulmer Lokalredaktion überhaupt gelesen?

Quellen:

(1) Jürgen Wertheimer, Die fatale Kunst nichts zu sagen. SWP/9.8.12

(2) Unheimliches Ulm. SWP/17.7.2012

9.8.2012

Sprachkomiker bei der SWP Ulm

Am 30. Juli 2011 trafen sich die Teilnehmer der beiden Radtouren des SWR und des BR in Neu-Ulm auf einem öffentlichen Gelände in Neu-Ulm, um dort eine Riesenparty mit Schlagerkonzert zu feiern. Die Städte verlangen dafür von den beiden Fernsehsendern kein Geld.Üblicherweise fallen Platzmiete, Energiekosten, Kosten für Aufbau, Toiletten, Absperrungen usw. an.

Der Ulmer Geschäftsführer eines privaten Radiosenders und Konzertveranstalter Carlheinz Gern meint, dass die Städte Ulm und Neu-Ulm den beiden öffentlich-rechtlichen TV-Sendern auf diese Weise 50.000 bis 100.000 Euro geschenkt haben. Ulms Finanzbürgermeister Czisch hält dagegen, dass die „mediale Aufmerksamkeit“, die Ulm durch das Ereignis erfahre, dieses Geld wert sei.In diesen Streit wollen wir vom Stammtisch uns nicht einmischen.

Nicht vorenthalten wollen wir der Öffentlichkeit aber, was der Lokalchef der SWP heute am 3.8.2011 in der Printausgabe der Zeitung über Herrn Gern schrieb:

„Gern sieht in solchen Geschäften eine indirekte Subventionierung öffentlich-rechtlicher Sender (…) wobei anzumerken ist, dass er zwar nicht mit gespaltener Zunge spricht, aber aus doppelter Warte: Gern ist einerseits privater Konzertveranstalter, andererseits Geschäftsführer des …Privat-Radio-Senders Donau 3 FM…“

Haben Sie schon einmal einen Menschen aus „doppelter Warte sprechen“ sehen? Unser Lokalchef nähert sich in seiner Sprache unverkennbar der Sprachkomik Heinz Erhardts.

„Eine Warte“ ist ein Beobachtungsposten: Die Floskel „von meiner Warte“ bedeutet: von meinem Standpunkt.Herr Gern ist also in jeder Hinsicht ein Unikum: Nicht genug damit, dass er gleichzeitig zwei Beobachtungsposten besetzen kann, was in der bisherigen Militärgeschichte nur wenigen Kundschaftern gelungen sein dürfte. Nein, er ist auch in der Lage, gleichzeitig in ein- und derselben Sache zwei Standpunkte einzunehmen (eine seltene Fähigkeit, die wir nur bei einigen Politikern feststellen können).

Ob der Lokalchef Herrn Gern nicht doch etwas überschätzt?

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Und am Ende noch einen kleinen stilistischen Leckerbissen aus der Südwest Presse vom 7. Juli 2011. Dort schreibt Herr Thierer in einem Kommentar über den Ulmer Immobilienmarkt:

Sie(gemeint sind Prinzipien des freien Marktes) wirken besonders unglaubwürdig, wenn sie vorgetragen werden durch Leute, die selber auf einem (Wohnungs-)Fuß leben, der weit größer ist als der, den sie anderen anmaßen möchten (SWP 7.7.11)

3.8.11

Manfred Osters Architekturphilosophie

Osters Architektur-Philosophie

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Ulms Sparkassenchef ist nicht doof

Heißt Manfred Oster der Erste

Im Nebenberuf ist er Philosoph

Hält Denken fürs Allerschwerste

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Manfred spricht über Architektur

Den Neubau der Stadtsparkasse

Komplexe Materie? Keine Spur!

Das versteht sogar die Masse:

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Vorn geht’s ins Gebäude rein

Und hinten wieder raus

Es ist klasse, es ist fein

Unser einzigartiges Haus.

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Oster, Ulms Sparkassen-Hauptwart

Baut im Zentrum eine Kaserne

Woher er bloß die Millionen hat

Wüsste mancher Bürger gerne

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Doch Manfred spricht über Architektur

Den Neubau der Stadtsparkasse

Komplexe Materie? Keine Spur!

Das versteht sogar die Masse:

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Es gibt gar viele Fassaden

Geordnet und sehr schlank

Einladend auch die Arkaden

Charaktervolle Scheiben blank.

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Die Räte schauen allem nur zu

Ulms Mitte wird verschandelt

Gönner und Wetzig geben Ruh

Mit Bürgern wird nicht verhandelt.

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Und Manfred spricht über Architektur

Den Neubau der Stadtsparkasse

Komplexe Materie? Keine Spur!

Das versteht sogar die Masse:

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Oben schützt ein großes Dach

Unsre Mitarbeiter vor Regen

Im Hause hören Sie keinen Krach

Der Bau ist für Ulm ein Segen.

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SparkasseUlmAbbruch

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Wichtiger Hinweis:

Der nachfolgende Text ist keine Satire.Mit dieser Bemerkung zur Textsorte kommen wir möglichen Anrufen des Pressesprechers der Sparkasse Ulm zuvor. Die Hervorhebungen im Text stammen von uns. Sie weisen auf sprachlich besonders gelungene Formulierungen oder auf die Explikation einer besonders tiefgründigen Idee hin.

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Manfred Oster über den Neubau der Sparkasse Ulm / swp online Filmbeitrag 27.7.2012

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Zitate aus Osters Antworten auf Fragen eines Journalisten

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Wir haben eine Fassade, die ist sehr schlank von der Westseite her, sehr geordnet. Sie hat auch noch so einen ruhigen Charakter durch die Scheibe, die da steht. Wir haben auf der anderen Seite eine zurückhaltende Gliederung – der Fenster – und gleichzeitig dann Arkaden. Arkaden laden natürlich immer ein. Alles sieht man auf einmal.

Ich glaub des Faszinierende ist in dem Fall, es ist spürbar, dieses Gebäude ist Teil der Stadt.

Des neue Gebäude ist so entstanden, dass – wir – immer das Interesse hatten, zusammen zu sein, und wir wollten an einen Standort und deshalb haben wir dann dieses neue Gebäude geplant zusätzlich zu dem, was wir mit der Sanierung wollten.

Diese Gebäudeteilung, also die Aufteilung in zwei Gebäude ist nicht nur im Interesse der neuen Baulichkeit, sondern – ist – Urinteresse der Stadtentwicklung, Verbindung Weinhof rüber – in den anderen Teil der Stadt – über den Neuen Bau – und des wird hier natürlich sehr deutlich gezeigt.

Die Terrassen, die Se do sehen, die sind ja dadurch entstanden, dass die Gebäude über diese unterschiedliche Gebäudehöhe in der Wuchtigkeit ganz klein wenig zurückgefahren wurden. Daraus entsteht genau die Gliederung, die wir brauchen, auch der Blick vom Weinhof zum Münster usw. Natürlich isch des damit a ganz prima Chance, auch aufs Dach zu können.

Also ich empfähl Ihnen zunächst mal durch den Eingangsbereich jetzt mit mir zu gehen. Im Haupteingang muss immer das sein, was man so im Vorbeigehen tut. Sparkasse to go – oder sowas.

Wir haben dann auch eine Art Sparkassenpassage. Sie müssen sich vorstellen, des Haus 66 – können Se dr Länge nach ganz durchgehen und dann kommen Se wieder nach außen, stehen vor dem nächsten Gebäude – dort ham wir vor, alles rund um die Immobilie zu platzieren.

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ZUM INTERVIEW

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29.7.2012

Manfred Oster, der Philosoph

Solange es Menschen auf dieser Erde gibt, haben sie darüber nachgedacht, was Frieden ist und wie er zu erreichen sei. Genau so lange, wie sie über den Frieden reflektierten, haben sie sich in Kriegen massakriert, und sie tun es heute noch mit zunehmender Perfektion, z.B mit Waffen aus schwäbischer Produktion von Heckler und Koch GmbH am Neckar.

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Friedenstaube

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Die alten Griechen hielten lange den Krieg für den Normalzustand. Die Römer wussten, dass zwischenstaatlicher Friede nicht ausreicht, sondern um häuslichen und religiösen Frieden ergänzt werden muss (was jedem Menschen sofort einleuchtet, der sein Leben an der Seite eines schwierigen Partners zubringt). Christen meinen, dass Friede mit Gott die Voraussetzung für den Frieden unter den Menschen sei, und Frieden das Wohlergehen an Leib, Seele und Geist bedeute.

Einige Philosophen und Politiker halten das Führen gerechter Kriege für völlig legitim. Große Geister wie Immanuel Kant versuchten uns zu erklären, wie wir Frieden erreichen könnten. Marx und Engels vertrösteten uns und unsere Friedenshoffnungen auf die Zeiten, wenn die Macht des Kapitals gebrochen sein wird und alle Klassenkämpfe endgültig ausgefochten sind.

Keiner der großen und bedeutenden Denker konnte uns aber verbindlich sagen, wie Friede zu erreichen und dauerhaft zu erhalten sei. Das hat nun ein Ende. In einem Pressegespräch mit dem stellvertretenden Leiter der SWP Ulm Willi Böhmer äußert sich erstmals Manfred Oster zum Thema Weltfrieden (vgl. Online-Ausgabe vom 10.12.2011). Oster, der vielen als Chef der Ulmer Sparkasse bekannt sein dürfte, unserer Meinung nach aber zweifellos zum Philosophen taugt, findet eine verblüffende einfache Antwort auf die Frage, wie dauerhaft Frieden zu erreichen sei: Durch die täglich Lektüre der Südwest Presse.

Perplex, lieber Leser?

Die Erläuterungen Manfred Osters bringen Licht ins Dunkel: Wer die SWP liest, lernt zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden und er versteht die komplexen Zusammenhänge in unserer komplexen Welt. Das Lesen der SWP fördert die Bildung; Bildung verhindert die Rückentwicklung der Menschheit und befähigt zum Blick fürs Ganze; Bildung wirkt friedensstiftend.

Alles klar?

Deshalb bezahlt der Sparkassenchef Oster Ulmer Schulen 42 SWP-Abonnements im Rahmen des Projektes „Wir lesen“. Der Philosoph Oster kommentiert dies mit schlichten Worten: „eine informierte Jugend ist der beste Garant für den Frieden in der Welt.“

Ja, wie pflegte schon Quasselstrippes Oma Elfriede immer zu sagen: „Die kompliziertesten Sachen sind ganz einfach, wenn sie ein Käpsele erklärt.“

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Lokalredaktion der Südwest Presse auf Kritik gänzlich verzichtete, als bekannt wurde, dass die Sparkasse in nächster Nähe zum Ulmer Münster einen monumentalen Verwaltungsneubau errichten wird, der an Größe und Schlichtheit unvergleichlich ist. Sollten Kritikaster einem Philosophen unnötig das Leben schwer machen, der nicht nur weiß, wie Frieden zu erlangen ist, sondern durch etwas Geld auch den Weg zum Frieden ebnet?

Die Idee der Lokalredaktion, den Philosophen Oster zu Wort kommen zu lassen, fanden wir vom Stammtisch großartig und nachahmenswert. In mehreren Veranstaltungen werden wir deshalb Ulmer Denkern Gelegenheit geben, ihre Gedankenwelt einem größeren intellektuellen Publikum vorzustellen.

Zum Auftakt führen wir im Januar 2012 ein Gespräch mit dem Leiter des Butterwerkes Söflingen zum Thema: „Butterherstellung als Beitrag zur Aufklärung und Emanzipation des Menschengeschlechtes“. Im Februar referiert ein bekannter Verwaltungsbeamter über das gerade in Ulm heiß diskutierte Sujet: „Beratungen des Bauausschusses und Versittlichung der Menschheit“.Im März schließlich wird eine Naturphilosophin über „Eigenurintherapie als Beginn umfassender Weltrevolution“ reflektieren. Alle Veranstaltungen finden im Nebenzimmer des Gasthauses Donaufisch statt, Interessenten sind herzlich eingeladen.

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14.12.2011

Bildungsnotstand in Ulm

Seit Jahren beklagen Arbeitgeber, dass viele Lehrstellenbewerber und Berufsanfänger über miserable Qualifikationen verfügten. Häufig fehlten elementare Kenntnissen in Mathematik, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit sei mangelhaft. Ich hielt dieses Gejammer immer für übertrieben. Jetzt lieferte Regio -TV ein Beispiel für die erstaunliche Artikulationsfähigkeit eines Ulmer Architekten, der den sogenannten Informationspavillon der Stadt Ulm und der Deutschen Bundesbahn vor dem Ulmer Hauptbahnhof plante und bauen ließ. Dieser Herr heißt Adrian Hochstrasser und erläuterte sein Werk vor der Kamera des kommerziellen Regionalfernsehens mit folgenden Worten:

„Das Haus ist ja –äh- wie soll ich sagen –äh- als Infohaus gedacht und muss entsprechend öffentliche Präsenz haben.“

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Hätte Sie das gedacht, verehrter Leser, dass ein Haus „öffentliche Präsenz“ haben muss? Mich macht es immer sprachlos, wenn ein gebildeter Mensch solch gewichtige philosophische Sentenzen so gelassen ausspricht. Und Herr Hochstrasser fuhr in diesem Interview fort:

„ Äh, wir sind mittendrin in der Euromagistrale, in dem Moment, wo die ausgebaut ist, funktioniert die Mobilität anders, Ulm, Stuttgart, 28 Minuten zum Flughafen, das verändert, denk ich, schon einiges.“

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„Die Mobilität funktioniert jetzt anders“ – Wäre das nicht ein wundervoller Titel für ein neues Sachbuch? Mich erinnert diese Syntax an unseren ehemaligen Spitzensportler Boris Becker. Der Architekt ließ es damit noch nicht bewenden. Er erläuterte sein Konstrukt mit den Worten:

„Das Ding –äh- ist aus Holz aus Kostengründen und einfach, man kann s einfach herstellen, und man kann relativ einfach Lampen drauf schrauben, so wie man das will, und was davor hängen, und dann leuchtet das Ding und hat ne Außenwirkung…“

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Herr Hochstrasser hat das Abitur bestanden und ein Hochschulstudium absolviert. Ich frage mich, was wohl der Personalchef eines Unternehmens sagen würde, wenn sich ein junger Mensch in einem Vorstellungsgespräch (auf das er sich vorbereiten konnte) auf diese Weise äußerte. Würde er die Lehrstelle bekommen? Aber man sollte über den Herrn Architekten auch etwas Positives sagen: Sein Infopavillion und dessen Ästhetik sind in völliger Übereinstimmung mit der Wortwahl, dem Stil und der Syntax seiner sprachlichen Äußerungen: es dominieren Ecken und Kanten.

Sämtlich Zitate sind folgender Quelle entnommen: http://www.regio-tv.de/

Stiftung Warentext …

…zeichnet Redakteur der SWP / Ulm aus

Die Verbraucherschutzorganisation „Stiftung Warentext“ widmete sich in ihrer jüngsten Untersuchung den informierenden und meinungsbildenden Texten in deutschen Tageszeitungen. Dabei erhielt Jakob Resch, Lokalredakteur der SWP Ulm, für seinen am 11.6.2008 unter dem Titel „Der Wandel der Lebensadern“ erschienen Kommentar den gläsernen Hammer; das ist die höchste Anerkennung der Stiftung für einen journalistischen Stil, der durch Schnörkellosigkeit, Klarheit, Anschaulichkeit und umwerfende rhetorische Figuren besticht.
Die seit kurzem existierende Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Sprachmüll in unseren Printmedien, aber auch bei Rundfunk und Fernsehen aufzustöbern und dadurch die Bevölkerung vor sprachlicher Verblödung zu schützen Durch öffentliche Diskussionen soll auf eine Verbesserung des mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauchs hingewirkt werden. Vorsitzender der Stiftung ist der in Ulm lebende Sprachkritiker Dr. Zweystein, der sich und seine Organisation in direkter Nachfolge des großen Österreichers Karl Kraus sieht.
Aber hören wir nun Zitate aus der Urteilsbegründung der Stiftung Warentext : „Resch gebraucht Bilder, die an Kühnheit und Kraft einzigartig sind, so z.B., wenn er schreibt, dass ‚die Donau ihr Gesicht als Lebensader für die Stadt verändert‘ oder berichtet, dass der Fluss von einer ‚Verkehrsader zu einem Ort der Aufenthaltsqualität‘ werde. Dabei gebraucht der Journalist eine Syntax, die an Wucht und Originalität kaum zu übertreffen ist“.
Wir vom Donaufisch freuen uns über Reschs Auszeichnung, gratulieren und wünschen auch für die Zukunft viel Erfolg bei der Herstellung von wirkungsaktiven Gebrauchstexten in deutscher Sprache.
Ulm scheint sich immer mehr zu einem Ort zu entwickeln, an dem sich sprachgewaltige Menschen niederlassen. Neben den international vielbeachteten Reden des Donaubürodirektors zur deutschen Außenpolitik denken wir in diesem Zusammenhang vor allem die lyrischen Produktionen des Ulmer Baubürgermeisters Wetzig (erst letztes Jahr mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet), dessen sprachliches Talent seine planerischen Fähigkeit noch überragt.

11.6.08

Loriot als Ghostwriter

Seit einigen Monaten kursiert in Ulm das Gerücht, dass der bekannte Komödiant, Schauspieler und Regisseur Vicco von Bülow, der vielen unter seinem Künstlernamen Loriot bekannt sein dürfte, für einige prominente Ulmer Texte schreibt. Der berühmte und beliebte Schöpfer von Frau Hoppenstedt und den Herren Dr. Klöbner und Müller Lüdenscheid soll u.a. für den Oberbürgermeister Gönner Rede- und Brieftexte verfasst haben. Für derartige Behauptungen fehlte jedoch bislang jeder Beweis. Jetzt tauchte ein Brief Gönners aus dem vergangenen Jahr auf, dessen stilistische Merkmale eine Autorschaft Loriots belegen.

Anlass für besagten Brief war eine Anfrage der SPD-Fraktion an den Oberbürgermeister. Die SPD wies darauf hin, dass ein Ulmer Platz und das benachbarte Rathaus schlecht beleuchtet sind, und begehrte Auskunft, wann mit Abhilfe zu rechnen sei. Der Oberbürgermeister antwortete folgendermaßen :
„… der angesprochene Sachverhalt, dass der Platz sowie das Rathaus eine der Gesamtsituation entsprechende Beleuchtung benötigt, wird auch von mir ausdrücklich unterstützt. Der Bauverwaltung ist die Aufgabenstellung bekannt. Im ersten Bearbeitungsabschnitt ist beabsichtigt, dass ein Handlungskonzept erarbeitet wird. Bestandteil dieses sind Aufgabenbeschreibungen und Zielformulierungen, die als Basis für eine Mehrfachbeauftragung mit dem Arbeitstitel Lichtkonzept Ulm dient. Nach der Zustimmung des Fachbereichsausschusses zum Handlungskonzept werden mehrere renommierte Planungsbüros zur Erarbeitung eines Lichtkonzeptes aufgefordert. Im Frühjahr 2008 kann die Realisierung in Angriff genommen werden…“

Loriotfans kann man nichts vormachen : diese Wortwahl, dieser Satzbau kann nur aus der Feder des Meisters stammen. Wer käme auf die Idee, einen „Sachverhalt unterstützen“ zu wollen? Wer wäre zu der Feststellung in der Lage, dass ein „Handlungskonzept“ aus „Aufgabenbeschreibungen“ und „Zielformulierungen“ besteht? Wer könnte den Begriff „Lichtkonzept“ erfinden?

Die SPD war vermutlich nicht in der Lage, die ironischen Feinheiten des Brieftextes zu erkennen. Vermutlich hatte sie damit gerechnet, dass der OB einfach mitteilt, wann und wo wieviele neue Lampen installiert werden.

Kulturoffensive 2008

Ulm ist in aller Munde : der weithin bekannte Programmdirektor Limbert von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit bescheinigte der Stadt auf einer Pressekonferenz in Berlin, dass sie durch ihre Donauaktivitäten „Weltpolitik“ betreibe (kein Scherz!). Peter Langer, der zukünftige Präsident der Donauakademie, nannte Ulm das „Genf des Donauraumes“ (kein Scherz!). Der Journalist und Heimatdichter Willi Freiherr von Böhmen (Name von der Redaktion geändert) kreierte in seiner lyrischer Prosa „Tagträumen über die Heimatstadt“ die atemberaubende Metapher von Ulm als dem „Nabel des Flusses“ (kein Scherz).

Nun, wenn eine Stadt sozusagen über Nacht vom Steiß der Welt zum Nabel des Flusses wird, kann dies nicht ohne Wirkung auf das kulturelle Leben dieser Stadt beiben. Ganz exklusiv informiert Sie der Donaufisch über Pläne, die bislang nur von hochkarätigen Insidern des Ulmer Kulturlebens diskutiert werden und unter dem Titel „Kulturoffensive 2008“ (sprich: 20 – 08) firmieren. Dabei handelt es sich um kulturelle Aktivitäten, die auf zwei Säulen ruhen : der privaten Initiative zweier Mäzene und einer städtischen Kulturpolitik mit fundamental neuen Ansätzen.

Die Stadt sieht es als ihre vordringlichste Aufgabe auf dem Gebiete der Kulturpolitik an, einen institutionellen Rahmen zu schaffen. Diesen werden in Zukunft die sogenannten Schwendier Kamingespräche bilden, wo sich Repräsentanten der Kulturverwaltung, Vertreter der Fraktionen und Mitglieder des Kuturausschusses mehrmals im Jahr treffen wollen. Im Hotel Oberschwäbischer Hof reflektieren und erörtern Teilnehmer der Kamingespräche Grundsatzfragen (Was ist Europa? Wo steht Ulm?) und philosophische Thesen (Kunst, Kultur und Wissenschaft sind in der Lage, neue Ideen hervorzubringen). Außerdem bieten diese Zusammenkünfte die Möglichkeit, städtische Initiativen auf kulturellem Gebiet den Plänen und Aktivitäten der Mäzene anzupassen.

Ein Großprojekt nimmt die Stadt mit dem Neubau eines Museums in Angriff, das in den östlichen Donauauen direkt neben dem Affenhaus gebaut werden wird. Dieses wird nach Fertigstellung alle Ehrungen präsentieren, die der Stadt durch namhafte Institutionen zuteil geworden sind. So stehen bisher z.B. die Auszeichnungen „gesündeste Stadt“ (healthy living), „energiebewußteste Stadt“ (energy award), und „toleranteste Stadt“ (Mudschaheddin und Jihad) auf der Liste, die später
Grundlage eines Museumskonzepts sein soll.

Neben Siegfried Weishaupt betätigt sich zukünftig ein zweiter Ulmer Unternehmer als Förderer großer Kunst: Der seriöse, aber herzliche Walter Feucht plant den Kauf des Ulmer Theaters und eine völlige Neugestaltung dieser Einrichtung. Bekannt ist bislang nur, dass sich der neustrukturierte Musentempel ähnlich den Theatern am Broadway mit populären Musicalproduktionen besser am internationalen Kulturmarkt positionieren soll. Der erste Auftrag zur Herstellung eines Musicals wurde bereits vergeben. „Fussballwunder von Ulm“ wird es heißen und wie der Name schon sagt, handelt es vom unglaublichen Aufstieg eines Fussballzwerges in die erste Bundesliga, der erst durch das überragende Management des Vereins möglich geworden war.

Andreas von Studnitz plant im Rahmen der Veränderungen eine Reihe „short classics“, die das Ziel verfolgt, klassisches Theater in zeitgemäßer Weise zu präsentieren. Bereits in der nächsten Saison möchte der Intendant Schillers „Wallenstein“ aufführen – und das in der Rekordzeit von nur 27 Minuten für alle drei Teile des Dramas. Diese von unnötigem Ballast befreite Inszenierung soll dem Theater neue Besucherkreise mit modernen Konsumgewohnheiten erschließen und somit ebenfalls dazu beitragen, das Theater zu einem sich selbst tragenden Wirtschaftunternehmen zu machen.

Büchner-Preis 2007 an Alexander Wetzig

Die Fachwelt spricht von einer Sensation; damit hatte niemand in der ganzen Literaturszene Deutschlands gerechnet: die bedeutendste deutsche Literaturauszeichnung, der mit 40000.- Euro dotierte Georg-Büchner-Preis, geht dieses Jahr an den Ulmer Lyriker Alexander Wetzig. In der Begründung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung heißt es, dass Wetzig in seinen lyrischen Werken, aber auch in seiner Prosa wie kein anderer deutschsprachiger Autor der Gegenwart die „Existenz des in Betonwüsten verlorenen Großstädters belauscht und ausgespäht“ habe und sie „in ganz eigensinniger wunderbar musikalischer Lyrik“ zu spiegeln verstehe. Erst vor kurzem erschien der neue Gedichtband Wetzigs mit dem Titel „Im frischen Wind der Stadt kann nur bestehen, wer sich behaust und beheimatet fühlt“.Selbst die beiden renomiertesten deutschen Literaturkritiker, Marcel Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek, zeigten sich überrascht von der Darmstädter Entscheidung, wobei Reich-Ranicki anfügte, dass er Wetzig selbstverständlich kenne und ganz außerordentlich schätze und die Entscheidung der Akademie sehr begrüße. Reich-Ranicki wörtlich:“ Bei der Lektüre der Verse Alexander Wetzigs, offenbart sich mir eine unbeschreibliche sprachliche Schönheit; diese Lyrik muss jeden Empfindsamen zu Tränen rühren.“ Äußerlich beherrscht und unbeeindruckt zeigte sich der Geehrte in Ulm bei einem Gespräch mit eiligst angereisten Journalisten. Er habe schon seit Jahren damit gerechnet mit seinen literarischen Werken in der Fachwelt Anerkennung zu finden. Qualität setze sich durch, es sei nur eine Frage der Zeit. Wetzig fügte wörtlich an: „ Denn anders als die Menschen hier in dieser Stadt, die in einem unsäglichen Zustand der ästhetischen Barbarei leben und gute von schlechter Architektur nicht zu unterscheiden vermögen, wird der Georg-Büchner-Preis von ausgewiesenen Fachleuten in Sachen Ästhetik vergeben.“

/ 24.4.07