Naiver Schöngeist

Vor dem Eröffnungskonzert vom Musikfest Stuttgart am 30.8.2014 (Haydns „Schöpfung“) hielt Günther Oettinger eine Eröffnungsrede, die missglückte und das Publikum provozierte. (Wer erwartet von Herrn Oettinger anderes?) Dieser Vorfall ist heute Gegenstand der Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung und der Südwest Presse.

Wir fragen uns: Muss ein kultivierter und wohlerzogener Mensch schweigen, wenn ein Politiker wie Günther Oettinger in einer Rede bei einem Musikfest Unsinn redet und provoziert?

Herr Jürgen Kanold, Kulturchef der Südwest Presse Ulm, hält schweigen für richtig. Ganz anders und differenzierter Susanne Benda von der Stuttgarter Zeitung.

Wir meinen: Naive Schöngeister richten durch„vornehme“ Zurückhaltung oft größeren Schaden an als Menschen, die rechtzeitig aufbegehren. Das lehrt uns die Geschichte an zahllosen Beispielen.

Stuttgarter Zeitung 1.9.2014

Noch bevor beim großen Eröffnungskonzert des Musikfests am Abend der erste Ton erklingt, erhebt sich im Beethovensaal lauter Protest. „Aufhören!“, hört man,und„Schluss jetzt!“. Günther Oettinger, vom unerwarteten Gegenwind des Publikums aus der Bahn geworfen, bringt seine Festrede zu einem raschen Ende, sitzt den ersten Teil des Konzertes ab und wird im zweiten von niemandem mehr gesehen.
Tatsächlich hat der EU-Energiekommissar dem Publikum am Samstagabend nicht etwa die angekündigten Gedanken zum Festivalmotto „Herkunft“ vorgetragen, sondern zum aktuellen politischen Geschehen Stellung bezogen.Manches von dem, was er etwa zum Ukraine-Konflikt sagt, ist richtig, aber wer hier Parallelen zum Hitler-Stalin-Pakt zieht, wer pauschal von „dem Polen“, „dem Russen“ und „dem Litauer“ spricht und wer in der Heimat von Mercedes verkündet, man müsse ja nicht immer nur daran denken, die S-Klasse nach Moskau zu exportieren, der darf sich nicht wundern,wenn anderen das nicht gefällt.
Autorin: Susanne Benda

Südwest Presse 1.9.2014

Günther Oettinger war eingeladen, zur Eröffnung des Musikfests Stuttgart seine „Gedanken“ über das Festival-Motto „Herkunft“ vorzutragen. Aber dann wurde der 60-Jährige am Samstagabend in der Liederhalle mit „Aufhören!“-Rufen und anhaltend lautem Klatschen regelrecht zum Schweigen gebracht. Peinlich. Ein Eklat. Aber warum nur?
Oettingers lokalpatriotischen Superlativ „Stuttgart ist die deutsche Musikstadt“ nahm das Publikum gerne an. Auch dessen Seitenhieb auf die Sparpläne der grün-roten Landesregierung, die bei den Musikhochschulen Studienplätze für Ausländer abbauen will: „Wer Autos baut, tut gut daran, auch Kultur zu exportieren.“

Doch dann holte Oettinger unpassend zum außenpolitisch-moralischen Rundumschlag aus: für mehr deutsches Engagement in den Krisenherden dieser Welt. Als er indirekt brandmarkte, die „S-Klasse nach Moskau zu exportieren“, ertönten „Aufhören!“-Rufe. Oettinger aber redete und redete, und ein Teil des Publikums machte seinem zunehmenden Unmut dadurch Luft, dass es den CDU-Politiker durch anhaltendes Applaudieren störte. Oettinger ging darauf nicht ein, kam aber zum Schluss, hörte sich den ersten Teil der „Schöpfung“ an und war nach der Pause weg. Er musste irgendwie die Veranstaltung verwechselt haben. Erschreckend aber auch, wie unhöflich bis intolerant viele Zuhörer reagierten.
Autor: Jürgen Kanold

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Ulmer Tierfreunde

Herr&Hund

***

Erkennt man nicht auf den ersten Blick die Innigkeit zwischen Herr und Hund? Ahnt man nicht sofort, welche Treue der Hund seinem Herrn schenkt und wie der Herr seinen animalischen Freund mit liebevoller Fürsorge und starker Hand belohnt?

Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner und sein reinrassiger Thierer-Terrier Uli sind seit vielen Jahren unzertrennlich. Überall hin begleitet Uli seinen Herrn. Sogar neben dem großen Eichenschreibtisch im Rathaus hat er sein Plätzchen, und auch bei den Sitzungen des Gemeinderates liegt der Terrier zu Füssen des Oberbürgermeisters.

Und wehe, einer der Anwesenden sagt ein falsches Wort oder vergreift sich im Ton. Sofort stellt Uli die Ohren, legt die Stirn in Falten und knurrt. Doch das ereignete sich die vergangenen Jahre kaum mehr. Die Stadträte lieben alle Herrn Gönner, mancher liebt ihn noch mehr als der Hund.

Der Hund beherrscht die tadellose Ausführung von drei Befehlen. „Fass!“ „ Aus!“ „Toter Hund!“ Das sollten Sie mal sehen! Einmalig. Vor allem die Ausführung des letzten Befehls „Toter Hund!“ Kaum hat Herr Gönner den Befehl erteilt, wirft sich der Thierer-Terrier auf den Boden, streckt alle Viere, gibt keinen Laut von sich und rührt sich nicht mehr von der Stelle, bis neue Befehle vom Herrn an sein wachsames Ohr dringen.

Um diese treue Seele wird Herr Gönner im ganzen Gemeinderat beneidet.

In der nächsten Folge unserer neuen Reihe „Ulmer Tierfreunde“ erzählen wir Ihnen, verehrte Leser, vom einem Gemeinderat und seinem Mayer-Sittich Hansi. Dieser kann zehn kurze Sätze sagen, in denen die Wörter „Donaubüro Ulm, Weltfrieden oder El Masri“ vorkommen. Einfach drollig, dieser Vogel.

Was Ulm braucht

Schlampige Recherche. Falschen Zahlen. Antiquierte Vorstellungen über politische Institutionen einer Stadt. Denunziation einer kleinen Opposition. Unfähigkeit zur Distanz. Befangenheit. Missbrauch der konkurrenzlosen Lokalzeitung. In seinem Artikel „Wie es Ulm geht – und was Ulm braucht“ lieferte der Lokalchef der Südwest Presse Hans-Uli Thierer am Samstag vor der Kommunalwahl wieder ein anschauliches Beispiel für unseriösen und parteilichen Journalismus.

Baustellen seien „sinnfällige Parameter“ für den wirtschaftlichen Zustand einer Stadt. Viele Kräne und Lastwagen bedeuteten, alles laufe gut. Bei „stattlicher“ Millionärsdichte und niedrigster Arbeitslosenquote unter den Stadtkreise in Baden-Württemberg habe Ulm beste Zukunftsperspektiven. Die Bevölkerung wachse. Die Schulden seien auf 100 Millionen Euro reduziert worden, meint der Lokalchef.

Feierlich verkündet Herr Thierer: „Der amtierende Gemeinderat darf ein gerüttelt Maß Anteil für sich reklamieren, dass Ulm sich zu einem Kraftzentrum entwickelt hat.“ Wissenschaftsstadt und Gebäude der Neuen Mitte zeigten die Weitsicht des Rathauses und zeugten von dessen enormem Beitrag zum Strukturwandel, der aus der Industriestadt einen Ort der Wissenschaften und Dienstleistungen gemacht habe.

Die politischen Verhältnisse im Gemeinderat zwängen den seit 1992 regierenden Sozialdemokraten Ivo Gönner, sich auf eine „bürgerliche Kernmehrheit aus CDU, Freien Wählern und FDP“ zu stützen. Koalitionen und Opposition hätten in diesem System keinen Platz. Alle Kräfte würden an Entscheidungen beteiligt. Dieses „Kollegialprinzip“ entspreche dem „Geist der Gemeindeordnung“. Ulm profitiere davon.

Eine kleine Opposition hat Herr Thierer außerhalb des Gemeinderates ausgemacht. Den Stadträten ginge diese „bürgerlichen Auflehnung“„ziemlich auf den Wecker.“. Auch der Lokalchef selbst hält von der Opposition nichts, denn sie sei „überwiegend reaktiv“ und wolle nur „Besitzstände bewahren“.

Spitzfindigkeiten schätzt Herr Thierer nicht. Deshalb kommen wir ohne Umschweife zur Sache:

Ist dem Journalisten Thierer die weltweite Banken-und Finanzkrise ab 2007 entgangen, die in den USA mit einer Immoblienblase begann? In zahlreichen amerikanischen Städten standen damals zu viele Baukräne. Daraus sollten wir gelernt haben, etwas genauer hinzuschauen.

Die üblichen ökonomischen Indikatoren wie Wachstum, Beschäftigtenzahl, Arbeitslosenquote verraten, dass es Ulm gutgeht, aber nicht besser und nicht schlechter als Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Heidelberg, Baden-Baden und Pforzheim. Mannheim ist eine Ausnahme.

Wie kommt Thierer, dazu, Ulm einen Schuldenstand von 100 Millionen EUR zu attestieren? So „niedrig“ waren Ulms Schulden letztmals 1991 (93 Mio EUR). Seit Ivo Gönner die Stadt regiert, sind die Schulden zunächst gestiegen (2003: 195 Mio EUR), danach waren Tilgungen durch zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen möglich. Ein Blick in den Ulmer Haushaltsplan hätte genügt, um richtige Zahlen im Presseartikel verwenden zu können. Ulms Schuldenstand betrug 138 Millionen EUR im Jahr 2013.

Durch Verschulden von Matthias Berz (Geschäftsführer) und Ivo Gönner (Aufsichtsrat) gerieten die Stadtwerke Ulm in eine schwere Krise. Seit einigen Jahren sind sie deswegen auf finanzielle Hilfe der Stadt angewiesen. Ein Ende ist nicht absehbar. Im Haushaltsplan heißt es dazu lapidar: „Ob und wie lange die guten kommunalen Haushaltslagen anhalten, kann nur sehr schwierig abgeschätzt werden. Risiken bestehen insbesondere in …der Ertragsschwäche der Stadtwerke.“

Die Vorstellung, der Gemeinderat habe ein „gerüttelt Maß Anteil“ an der positiven Entwicklung der Ulmer Wirtschaft, ist naiv. Die Entscheidungen über Wachstum, Beschäftigte und Arbeitslosenquote fallen in Industrieunternehmen, im Handwerk, im Handel und anderen Gewerbebetrieben. Allenfalls kann die Kommunalpolitik diese Entscheidungen etwas modifizieren, z.B. durch eine angemessene Verkehrsinfrastruktur und gute Lebensbedingungen für Familien.

Auch ist es lächerlich zu glauben, Ulmer Gemeinderäte hätten Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaftsstadt. Am Anfang dieser Idee einer engen Verzahnung von Hochschul- und Industrieforschung (1983-86) entschieden Ministerpräsidenten Späth und Wissenschaftsminister Engler alles Wichtige, Universitätsrektor Fliedner und der Ulmer OB Ludwig (CDU) wirkten lediglich mit. Erst nachdem alle Entscheidungen gefallen waren, wurde der Ulmer Rat informiert. Bis heute ist es so geblieben: der Gemeinderat hat eine Statistenrolle (in diesem Fall zu Recht, denn Hochschul- und Forschungspolitik gehören nicht zu den kommunalen Aufgaben).

Wenn ein Gemeinderat zu einer Versammlung von Jasagern degeneriert, kein Zweifel, keine Kritik, kein Widerspruch mehr geäußert wird, kein aufgeweckter Geist in dieser Versammlung mehr spürbar ist und dieses Organ von einem Rathauschef nur noch dazu missbraucht wird, sich formal eine Legitimation für seine Absichten und Pläne zu beschaffen, dann kann man nicht von einer Konsensdemokratie sprechen. Irgendwie scheint Herr Thierer selbst zu ahnen, dass er mit seinen noblen Worten vom „Kollegialprinzip“, das im Ulmer Rathaus walte, ziemlich daneben liegt. Im letzten Teil seines Artikels schreibt er selbst, dass Gönner „die politische Streitkultur im Rathaus nahezu eingeebnet“ habe.

Ein letztes Wort zur kleinen Opposition, die es in Ulm zurzeit gibt. Warum denunzieren Sie diese Leute, Herr Thierer?
Ist jemand an Besitzstandswahrung interessiert, wenn er gegen ein Shoppingcenter am Ulmer Hauptbahnhof eintritt? Ist er reaktiv, wenn er beklagt, OB Gönner verstieße mit seinem Vorgehen beim Sedelhofprojekt gegen Recht und Gesetz? Dass unseren rammdösigen Gemeinderäten eine Opposition missfällt, ist klar; diese macht ihr katastrophales Versagen deutlich. Warum aber schießt der Lokalchef scharf gegen ein Handvoll besonnene Menschen? Hat er Angst vor der verschworenen Gemeinschaft? Vor den Vettern im Rathaus und im Rat? Fürchtet er um Ansehen und Akzeptanz im Dorf Ulm? Sind die Zwänge der Kumpanei so stark?

Was Ulm braucht sind Journalisten, die gewissenhaft und seriös berichten, die vor Missständen und Fehlentwicklungen warnen, ohne Rücksicht auf einflussreiche Persönlichkeiten. Nicht gebraucht wird dagegen ein Lokalchef der SWP, der Tatsachen verdreht oder verschweigt, mit dem Rathauschef und anderen Personen unter einer Decke steckt und immer erst mit einer kritischen Berichterstattung beginnt (CBL, Sparkasse, Stadtwerke), wenn Fehler, Irrtümer und Abwege nicht mehr verheimlicht oder beschönigt werden können.

UlmsSchulden

Ulmer Ablasshandel

Der Begriff „Ablass“ ist vielen gewiss noch aus dem Geschichtsunterricht bekannt. Armen Tröpfen wurde von der katholischen Kirche ihre Strafe für sündiges Tun erlassen, wenn sie reuig ein frommes Werk vollbrachten. Im 15. und 16.Jahrhundert blühte der Handel mit Almosenablässen. Der Sünder bezahlte Geld, dafür wurde ihm die Strafe für begangene oder zukünftige Sünden erlassen.

Sie denken jetzt, das sei Vergangenheit, finsteres Mittelalter. Eine postindustrielle Gesellschaft habe keinen Platz für Aberglauben. Irrtum. Die Jahrhunderte alte Geschäftsidee der katholischen Kirche findet auch heute noch Nachahmer. In Ulm betreibt die Südwest Presse zeitgemäßen Ablasshandel.

Nach Sündern müssen Sie nicht lange suchen. Da finden Sie beispielsweise den Geschäftsführer der SWU GmbH Matthias Berz. Er ist auf dem besten Weg, die Ulmer Stadtwerke durch überteuerte Neubauten, falsche Energiepolitik und Fehlinvestitionen von einem rentablen in ein defizitäres Unternehmen zu verwandeln. In einer aufgeklärten Gesellschaft würde auf diese Sünden eine heftige und andauernde Kritik der Medien folgen. Zur Strafe müsste der Geschäftsführer vermutlich den Hut nehmen. Nicht so in Ulm.

Die Südwestpresse verzichtet auf Kritik, lässt es bei wenigen Meldungen bewenden. Dafür muss Herr Berz bei der SWP Ablassbriefe erwerben: Er bezahlt ein Jahr lang 42 Abonnements der Provinzzeitung. Diese werden an Schulen geliefert, damit Schüler die Möglichkeit haben „die neuesten Nachrichten aus ihrer nächsten Umgebung, aber auch das Wichtigste aus aller Welt selbst nachzulesen“.

Sie können also die Schwere der Sünden des Geschäftsführers Berz quantifizieren. Einmal Stadtwerke an den Rand eines Bankrotts bringen kostet 360.- € (Jahresabo) mal 42 ist gleich 15.120 € (minus Mengenrabatt).

Selbstverständlich braucht das Kind auch einen wohlklingenden Namen. Sie können diesen Vorgang nicht einfach „Südwest-Presse-Ablass-Handel“ nennen. Deshalb bezeichnen Sie das Ganze als Beitrag zur politischen Bildung von Schülern (Bildung sticht heutzutage immer!) und benennen den Deal mit: „Wir lesen“.

Auf diese Weise sammeln sie 92 Sünder, die ihre Sünden schon begangen haben oder noch begehen werden, nennen diese Sünder „Paten“ und verkaufen an sie 293 Ablassbriefe ( Abonnements) macht 293 mal 360.-, also 105.480 €. Eine Super Geschäftsidee. Nicht wahr?

Als Sonderleistung neben wohlwollender Berichterstattung werden alle Paten mit Foto in der SWP veröffentlicht, darunter die Anzahl der Abonnements. Das macht es dem kundigen Leser möglich, sich einen Überblick über die Schwere der Schuld der Sünder zu verschaffen: Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Ulm Manfred Oster, 42 Abos. IHK-Präsident Dr. Peter Kulitz, 13 Abos. Leiter der Polizeidirektion Ulm Karl-Heinz Keller, 1 Abo.

Während die Zerstörung der Ulmer Mitte durch einen ästhetisch misslungenen Neubau (neue Sparkasse) mit 15.120 € relativ teuer ist, sind die Schädigung der Ulmer Volksbank durch falsche Personalpolitik mit 4.680 € oder die rechtswidrige Einkesselung von Demonstranten bei einer Kundgebung mit 360.- € eigentlich recht günstig. Vielleicht ist der hohe Ablasspreis für Herrn Oster von der Sparkasse Ulm auch dem Umstand geschuldet, dass er quasi zum Zwecke der Werbung für seine Bank ungehindert Zugang zu Schulen erhält, was Unternehmen normalerweise nicht möglich ist.

Allerdings überrascht in einigen Fällen der Betrag, den der Sünder an die Südwest Presse bezahlen durfte. Wenn Sie z.B. wie Katja Adler von der SPD daran mitwirkten , den größten Ulmer Verein SSV in die Insolvenz zu bringen, kostet das nur einen Ablass, sprich 360.- €. Ein günstiger Preis für ein so einmaliges Erlebnis!

Zu gut weggekommen ist auch unser verehrter Oberbürgermeister. Dass er das Kanalnetz der Ulmer nach Amerika verkaufte und die Ulmer nun jeden Tag fürchten, ihre Abwässer selbst entsorgen zu müssen, hat unseren schlauen Fuchs Ivo Gönner lediglich zwei Abonnements gekostet. 720.- € Bußgeld für 30 Millionen Schaden. Unser OB ist einfach eine Nummer für sich.

Andere sucht man dagegen vergeblich auf der Liste der Ablasskäufer der SWP, z.B. Alexander Wetzig und Annette Schavan. Woran das wohl liegen mag?

Im Falle des Baubürgermeisters vermuten wir vom DF, dass er frei von jeder Sünde ist und auch zukünftig sein wird. Bei Annette Schavan scheint naheliegend, dass sie durch den Verlust des Ministeramtes und der damit verbundenen Gehaltseinbuße einfach bei ihren Ausgaben etwas kürzer treten muss und sich teure SWP-Ablässe nicht leisten kann.

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Jede Kampagne braucht ihren Slogan. Der SWP für ihren Ablasshandel empfehlen wir vom DF:

1
Wenn das Presse-Abo gesponsert ist
Schreibt das Blatt über Dich keinen Mist.

2
Du wirst nicht gescholten, wirst empfohlen
Für höchste Ämter in Ulm und Polen
Täglich preisen wir Deine Meriten
Niemand liest Dir mehr die Leviten
Schnell den Schulen Abos geschenkt
Sonst wirst Du von der Zeitung gehängt

8.3.2013

Lächeln in Novi Sad

Als wir das Foto in unserer Lieblingszeitung am Morgen entdeckten, waren wir entsetzt: Unserem Oberbürgermeister Ivo Gönner wurde offensichtlich die ihm gebührenden Achtung vorenthalten.

Das Foto, das uns so großen Verdruss bereitete, zeigt in der Bildmitte eine Büste von Mileva Maric, der ersten Frau Albert Einsteins.

Rechts davon stehen der Rektor der Universität Novi Sad und seine Stellvertreterin, zwei schlanke, kleine Menschen, die mit freundlichem und lebhaftem Blick in die Kamera lächeln. Ihre Zierlichkeit ließe es jederzeit zu, dass sich nochmals zwei ähnlich gebaute Personen zu ihnen gesellten und auf dem Foto locker Platz fänden.

Ganz anders die Situation links von der Steinplastik der bekannten Dame.

Hier dominiert ein Herr im blauen Jackett, mit blauem Hemd und blauer Krawatte. Seine Leibesfülle lässt keinen Raum für weitere Personen neben ihm. Der obere Knopf seines Jacketts droht augenblicklich unter der Wirkung der ungeheuren Kräfte seines eingezwängten Körpers abgerissen und weg geschleudert zu werden. Sein Lächeln ist nicht besänftigend und gütig wie das der anderen; sein Lächeln macht Angst.

Hinter dem Menschen mit dem mächtigen Leib zeigt sich der kleine Kopf unseres Stadtoberhauptes Gönner, ebenfalls in die Kamera lächelnd. Es ist ein verzweifeltes Lächeln, das seine Gedanken offenbart: Wie soll ich bloß auf das Foto kommen, wenn dieser Koloss mir nicht mal Platz zum Atmen lässt?

Wie kann man nur so respektlos sein und den wichtigsten Mann zu einer Randfigur degradieren? Wer trägt die Verantwortung? In Ulm wäre so etwas nicht passiert. Hier gilt das ungeschriebene Gesetz: In der Bildmitte steht immer Ivo Gönner.

Eine intensivere Betrachtung des Fotos führte sodann zu einer weiteren Erkenntnis: Das blaue Ungetüm ist nicht der gealterte und bärtige Meister Proper, sondern Peter Langer, der Donaubeauftragte, Ulms Mann in Brüssel. Fast hätten wir ihn nicht wiedererkannt.

Trotz Verärgerung über die schlechte Behandlung unseres OBs rätselten wir vom Stammtisch noch lange über eine zentrale politische Gegenwartsfrage: Ist mächtige Leibesfülle für Politiker in der Mediengesellschaft, in der man gerne übersehen wird, genauso wichtig wie früher das vielzitierte Rückgrat?

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Wir haben bewusst darauf verzichtet, das Foto hier wiederzugeben. Wenn Sie unbedingt sehen wollen, wie schlecht unser OB Gönner behandelt wurde, schauen Sie in der Online-Ausgabe der SWP nach. Vom Kauf eines Exemplars dieser Zeitung raten wir ab. Sie ist das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurde.

24.11.2012

Zeitung in der Schule – Nein danke!

SWP.Wir-lesen

Keine Angst: Lesen müssen Sie nicht viel bei der neuen Südwest Presse. Seit Kurzem ist Herr Ulrich Becker Chefredakteur dieses Blattes und der weiß durch seine vielfältigen Erfahrungen im Boulevardjournalismus: Der normale Zeitungsleser mag gar nicht viel lesen.

Ein paar großformatige Bilder von Autounfällen, Bürgerkriegsopfern oder Verwüstungen auf einem Marktplatz, auf dem sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hat, dazu bunte Fotos spärlich bekleideter Damen (auch in der Onlineausgabe); Aktuelles aus dem Rotlichtmilieu und dem Sport, dazu ein paar Berichte von der Lokalredaktion in Ulm, wo der Chefredakteur Hans-Uli Thierer in wildem Durcheinander Tatsachen und Mutmaßungen mit der eigene Meinung, der Unterstützung politischer Freunde oder der kostenlosen Werbung für befreundete ortsansässige Unternehmer mischt…

Das ist das Gemisch, das sich verkaufen lässt. Berufsethos, Wahrhaftigkeit, Neutralität, Qualität – alles überflüssig. Recht hat, wer den Umsatz steigert. Ganz gleich wie.

Und diese Ware SWP, dieses Produkt, das jeder mit etwas geistigem Anspruch nur in den Papiercontainer werfen kann, wird auch noch an Schulen in Ulm und Umgebung geliefert, bezahlt von sogenannten „Paten“, um dort Kinder und Jugendliche zu verderben. (Vielleicht ist der Begriff „Pate“ hier sogar angebracht)

Wie wir erfahren haben, schreibt Professor Spitzer bereits ein neues Buch, in dem die überaus schädliche Auswirkung regelmäßiger „Lektüre“ der Südwest Presse auf Kinder und Jugendliche dargelegt wird.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kündigte eine Bildungsoffensive gemeinsam mit dem Philologenverband an. Ziel ist es, Lehrer und Lehrerinnen Methoden beizubringen, manipulative Techniken der SWP zu erkennen und aufzudecken und dieses Thema im Unterricht gemeinsam mit den Schülern zu bearbeiten.

Die Vorsitzende der Konferenz der Ulmer Rektoren hat einen Antrag für die nächste Sitzung zur Abstimmung vorbereitet, in dem allen Schulen dringend empfohlen wird, darauf zu achten, dass Schüler auf dem Schulgelände keine Südwest Presse mit sich führen oder anschauen.

Die Ulmer Stadtsparkasse hat angekündigt, ab sofort die Patentschaft im Rahmen des Projektes „Zeitung in der Schule“ niederzulegen und auch zukünftig keine Projekte der SWP an Schulen mehr zu unterstützen. Andere Paten wollen dem Beispiel der Sparkasse folgen. Für sie steht fest: Die geistige Verdummung von Schülern und deren Erziehung zu einfältigen Konsumenten und Gaffern darf nicht unterstützt werden.

Wir vom DF veranstalten einen Wettbewerb für geistig fitte Jugendliche. Aufgabe ist es, einen Artikel aus der SWP mit dem Titel „Finanzhilfe für die Stadtwerke“ (SWP 17.11.2012) in einem kleinen Essay zu analysieren unter den Fragestellungen: Wo werden Tatsachen, wo Meinungen, wo Vermutungen geäußert? Welche Absichten verfolgt der Autor? Wie beurteilst Du Aufbau und Informationsgehalt des Artikels? Um welche Textsorte handelt es sich überhaupt?

Dem Gewinner des Wettbewerbes finanziert der Chef der Sparkasse Ulm Manfred Oster das einjährige Abonnement einer guten europäischen Tageszeitung.

SWP.Boulevard

21.11.2012

SWP und Manipulation (2)

Es bleibt wohl vielen Lesern der Südwest Presse in Ulm nicht verborgen, dass von Lokalredakteuern immer wieder mit unlauteren Mitteln versucht wird, auf die Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Jüngstes Beispiel sind die Bemerkungen eines kritischen Lesers in den Kommentarspalten der SWP-Online.Er kommentierte die Wiedergabe und Interpretation einer Umfrage einer Heidelberger Marketingagentur durch den Ulmer Lokalchef Hans-Uli Thierer mit folgenden Worten:

„Keine Meisterleistung, sondern schlichtweg falsch interpretiert und manipulierend
Liebe SWP,

Diese „SWP-Umfrage“ ist wirklich peinlich. Sie gestehen zwar ein, dass Ihre Befragung nicht repräsentativ ist (da sollten es über 1000 Befragte sein). Erschreckend ist Ihr Umgang mit den Ergebnissen. Weshalb versuchen Sie, die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu manipulieren?

Der Postleitzahlenbereich 89073 umfasst eben nicht im „Kern die Ulmer Kernstadt“ (bejammernswertes Deutsch, am Rande bemerkt). Sondern auch wesentliche Teile der Oststadt, Friedrichsau, die Böfinger Straße und die Talfinger Uferstraße. Deshalb ist es eher erstaunlich, dass sogar ein Drittel der Befragten sich kritisch zur Lärmsituation äußern – denn die Mehrzahl der Befragten wohnt eben nicht wie Sie suggerieren „in der Kernstadt“. Sie manipulieren aber bewusst und interpretieren genau andersrum.

Bei der Antwortkategorie „Innenstadtbewohner müssen dies ertragen“ schlägt übrigens jeder, der halbwegs eine Ahnung von empirischer Sozialforschung hat, die Hände über dem Kopf zusammen“
(Quelle: SWP Online am 18.9.2012)

Der Artikel, auf den sich der Leserbrief bezieht, erschien am 19.9.2012 unter der Überschrift Belästigt fühlen sich wenige in der Südwest Presse.

Zur Vergößerung des Artikels bitte auf die Abbildung klicken

SWP.19.9.2012

24.9.2012

SWP und Manipulation (1)

Es wäre wirklich ein lohnendes Projekt für eine Gruppe von Studenten der Linguistik an den Universitäten Tübingen,Stuttgart, Heidelberg oder Freiburg, einige Monate die Lokalausgabe der Südwest Presse Ulm zu beobachten, zu beschreiben und auszuwerten.

Immer wieder fällt auf, dass mit den verschiedensten Methoden manipuliert wird:

Themen oder Veranstaltungen finden Erwähnung oder werden ignoriert, ausführlich an exponierter Stelle platziert oder ganz unauffällig auf den letzten Seiten abgedruckt.

Intellektuell einfach gestrickte Elaborate des Lokalchefs füllen die Kommentarspalten, wobei er gebetsmühlenartig immer wieder ähnliche Versatzstücke in seine „Leitartikel“ einwebt.(Haben andere Redakteure keine Meinung oder dürfen sie nicht kommentieren?)

Manchem Redakteur fehlt die nötige Distanz zu bestimmten Personen des öffentlichen Lebens mit unerträglichen Folgen für die Leser: jede Banalität, jede Äußerung, jede Meinung dieser Person wird für so wichtig gehalten, dass darüber ausführlich berichtet wird.

Wie gesagt: Die Methoden, wie die Südwest Presse Ulm zum Schaden der Leser manipuliert, sind vielfältig. Es bedürfte einer genauen Untersuchung, um sie systematisch aufzulisten.

Heute wandte sich die Verfasserin eines Leserbriefes an uns und beklagte, dass durch Kürzungen ihres Beitrages in der Südwest Presse wichtige Kernaussagen verdreht und entstellt worden seien.

Sie lebt in einem Wohngebiet Ulms, „Türmle“ genannt. Dort will die städtische Wohnungsbaugesellschaft (UWS) Gebäude errichten, die nach Meinung vieler Bewohner nicht in das Gebiet passen. Auch die Durchführung des Bebauungsplanverfahrens steht angesichts der Interessenverflechtung zwischen Bauherrn,Verwaltung und Gemeinderat in der Kritik. Wörtlich schreibt die Verfasserin des Leserbriefes:

„Obwohl ich die Leserbriefredaktion um eine ungekürzte Veröffentlichung gebeten hatte, sind wichtige Teile weggelassen worden. Interessant ist, welche das sind:

– Vor allem Aussagen hinsichtlich der Mieter und der Allgemeinheit.
– Alle Aussagen, die sich auf eine sorgfältige Verfahrensgestaltung beziehen.
– Der Schlusssatz mit der Aussage, worum es in dieser Stadt gehen sollte.

So bekommt das Ganze die gewünschte Schieflage.“

Bilden Sie sich,verehrter Leser, selbst ein Urteil, ob von der SWP manipuliert wurde. Die gelb markierten Passage wurden beim Redigieren von einem Redaktionsmitglied gestrichen.

Zur Vergrößerung bitte auf die Abbildungen klicken

Leserbrief.Türmle.web1

Leserbrief.Türmle.web2

19.9.2012

SWP-Online & Auftragskommentar

Die Ulmer können sich wirklich glücklich schätzen. Es gibt nicht viele Städte, die über eine solche Tageszeitung wie die Südwest Presse verfügen. Zu allem Einzigartigen, was die SWP schon zu bieten hat, kommen nun ein neuer Chefredakteur (Ulrich Becker ) von der Bildzeitung, über den der DF schon berichtete, ein Relaunch und der Auftragskommentar.

Da stutzen Sie, verehrter Leser. Ein Relaunch? Da in Deutschlands dieser Vorgang gänzlich unbekannt ist, gibt es bisher dafür auch keine treffende Vokabel. Deshalb verwendete der Journalist Steffen Wolff den englischen Fachausdruck „Relaunch“.

Auf das Wort „Wiedereinführung“/ „Neustart“ verzichtete er, da es nur als äußerst mangelhafte Übersetzung gelten kann. Lesen Sie selbst, was Wolff am 13.8. in der Onlineausgabe der SWP schrieb:

„Nach dem Relaunch präsentiert sich swp.de im neuen Layout, mit noch mehr Informationen und jeder Menge Service. Wir haben das Online-Nachrichtenportal der SÜDWEST PRESSE für Sie komplett überarbeitet und informieren Sie damit jetzt noch besser über das Geschehen in Ihrer Region.“

swp.relaunch

„Komplett überarbeitet“ schreibt Herr Wolff. Wir vom DF können ihm da nur zustimmen.

Fotos machen nun den Hauptteil der Onlineausgabe aus; die wenigen Wörter, die da noch stehen und zwei bescheidene, grammatisch einfache Sätze bilden, sind in großen Buchstaben für fast alle lesbar.

Selbst Leseanfänger, Leseunkundige, Lese- und Denkfaule werden zukünftig an der SWP-Online Ihre Freude haben. Wo finden Sie kostenlos so viele hübsche Fotos aus Ihrer Region? Herr Wolff und seine Mitarbeiter haben die Südwest Presse in ein Online-Bilderbuch verwandelt.

Ist das nicht großartig und ein unschätzbarer Beitrag zur Demokratisierung des Mediums Zeitung, das fortan auch von Analphabeten täglich konsumiert werden kann?

Mehr noch als das „Relaunch“ schätzen wir eine neue Errungenschaft der Ulmer Lokalredaktion der Südwest Presse, den sogenannten Auftragskommentar.

Nehmen wir z.B. einmal an, Sie seien Präsident der Industrie- und Handelskammer und klebten mit Ihrem Allerwertesten so an Ihrem Sessel, dass eine Trennung (vom Sessel) zu baldiger Bedeutungslosigkeit, existentieller Sinnkrise, möglicherweise zum Tod führen würde. Was tun, wenn die Satzung Ihrer IHK eine Wiederwahl nicht zulässt? Da hilft der Auftragskommentar der Südwest Presse.

Sie überweisen an den Wirtschaftsjournalisten Frank König 10, 20,30, 40 oder 50 tausend Euro und schon können Sie auf der ersten Lokalseite wenige Tage später einen ausführlichen bis ganz ausführlichen Kommentar (je nach Höhe der Überweisung) finden, der begründet, warum die Satzung der IHK geändert und Ihre Amtszeit verlängert werden muss. Da steht dann: Sie seien ein guter Netzwerker, könnten sehr gut Englisch, seien überhaupt nicht materiell orientiert, sondern nur an Werten, zeitlich sei Ihr Engagement legendär, kurzum: Sie seien ein Glücksfall und der IHK-Vorsitz müsste eigentlich später automatisch auf ein anderes Mitglied Ihrer Familie übergehen. Über den Kommentar schreibt Herr König in dicken großen Lettern: Der Ausnahmepräsident. So ein Auftragskommentar sollten Ihnen diese läppischen 50.000 Mäuse schon wert sein.

Der Wirt vom Donaufisch hat seinen Betrag an Herrn Frank König bereits überwiesen.
Schauen Sie in die nächste Samstagsausgabe der SWP Ulm. Dort erfahren Sie aus berufenem Munde in einem Kommentar, warum Quasselstrippe der geeignete CDU-Bundestagskandidat 2013 ist und nicht Annette Schavan, die die nächsten Jahre Ihre hingeschluderte Doktorarbeit verbessern und relaunchen muss und deshalb keine Zeit für die Politik hat

Anmerkungen
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Ulrich Becker ist der Mann, der mit seinen Kurzkommentaren bei der Bildzeitung /Onlineausgabe bewiesen hat, dass er den Textanteil der SWP Lokalausgabe Ulm auf eine halbe Zeitungsseite kürzen kann. Der samstägliche Kommentar von HUT wird zukünftig nur noch aus drei Sätzen bestehen, von denen der erste immer lauten wird: „Gelobt sei unser Oberbürgermeister Gönner im Rathaus.“

Steffen Wolff ist der liberale Journalist, der die Teilhabe benachteiligter Minderheiten beim Kommentieren in der Onlineausgabe wohlwollend gefördert und begleitet hat. Monatelang durften unter seiner Aufsicht Neonazis und ungebildete, ordinäre Schmierfinken, ihren volksverhetzenden, verunglimpfenden und verleumderischen Auswurf öffentlich ausstellen.

swp.Überweisung

20.8.2012

Verunstaltete Sprache

 

In seinem kurzen Aufsatz „Die fatale Kunst, nichts zu sagen“ beschäftigt sich der Tübinger Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer mit der Verarmung der Gegenwartssprache. Seine Diagnose lautet: das Gefühl für Stimmigkeit geht den Schreibern und Sprechern verloren.

Statt von „Kollegen“ werde von „strategischen Partnerschaften“ gesprochen, aus „Nachdenken über Zusammenhänge“ werde „Nachhaltigkeitsphilosophie“.

Wie ein literarischer Text, der aus der Bibel stammt, in „bürokratische Un-Menschen-Sprache“ übersetzt klingt, demonstriert Wertheimer an einem Beispiel:

In der Bibel heißt es:
„Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel zu grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden“ (Kohelet 1,18)

Die verunstaltete Version:
„Angeborene oder erlernte intellektuelle Fähigkeiten stehen nicht notwendigerweise in einem ausgeglichenen Verhältnis zu daraus erwachsenden emotionalen Befindlichkeiten. Die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten kann im Ausnahmefall sogar zu einer Erhöhung der affektiven Sensibilität führen.“

Im Juli 2012 erscheint in der Südwest Presse ein Kommentar zur finanziellen Situation der Stadt Ulm mit dem Titel: „Stadthaushalt: Unheimliches Ulm“.

Der Verfasser will in seinem Kommentar ausdrücken, dass es Ulm finanziell sehr gut geht, neue Schulden vermieden und Altschulden getilgt werden können und die Stadt sogar noch in der Lage ist, Millionen zu investieren. Während der Finanzbürgermeister sparsam mit dem Geld umgehe, müsse befürchtet werden, dass die Stadträte unfähig seien, sich angesichts der guten Haushaltslage zu mäßigen.

Statt diese Meinung klar und verständlich zu Papier zu bringen, quält der überforderte Journalist seine Leser mit teils hilflosem, teils unverständlichem Gestammel.

In dem Text, der nur um weniges gekürzt wurde, heißt es:

„Es ist ja schon irgendwie unheimlich, dass um einen herum täglich die Welt untergeht, während in Ulm heiter bis fröhlich der Aufbruch in eine immer noch glorreichere Zukunft gefeiert wird, und das auch noch buchstäblich mit gutem Grund: Eine neue Schuldenaufnahme ist nicht nötig, der Schuldenstand wird vielmehr weiter zurückgeführt…

Es ist in Anbetracht dieser Lage irritierend, dass Kanzlerin Merkel ihren Wohnsitz noch nicht nach Ulm verlegt hat, findet sie hier im Kampf gegen die Schuldenfront doch die von ihr gerühmte „schwäbische Hausfrau“ auf das Bodenständigste beheimatet.

Es folgt Teil zwei der Wahrheit, der noch unheimlicher ist. Während die Stadt Schulden tilgt, tätigt sie Millionen-Investitionen, als gäbe es keine Zinsen und Steuern weiter reichlich. Was soll man davon halten? Schwierige Frage. Doch Begriffe wie „Maß halten“ und „Prioritäten setzen“, die die Finanzverwaltung vorgibt, sind viel zu lange in der Welt, als dass sie nicht auch mal das Heft des Handelns in Ulm bestimmen sollten…

Nun gut: 160 Millionen Euro sind die Schulden-Obergrenze, die sich die Stadträte selbst gesetzt haben. Bei 100 Millionen hat man damit einen Puffer von 60. Au weia. Wer schützt die Stadträte vor sich selbst?“
(Südwest Presse/17.7.2012)

Der Wortschatz des Verfassers stammt aus den verschiedensten Bereichen: der Technokraten- und Bürokratensprache („der Schuldenstand wird zurückgeführt“), der Sprache von Comics („Au weia“), der Kriegsberichterstattung („Kampf gegen die Schuldenfront“), der Umgangssprache („irgendwie unheimlich“).

Missglückte Bilder („Begriffe wie Maßhalten und Prioritäten setzen (sollten) auch mal das Heft des Handelns in Ulm bestimmen“) verunstalten den Text ebenso wie lächerliche Ausdrucksweisen („Es folgt Teil zwei der Wahrheit, der noch unheimlicher ist“) oder völlig absurde Gedanken. („irritierend, dass die Kanzlerin ihren Wohnsitz noch nicht nach Ulm verlegt hat“)

Offensichtlich schafft es der Verfasser nicht, seine Person zurückzustellen. Sein krampfhaftes Bemühen um Originalität wird in jedem Satz erkennbar. Der Text ist ein gutes Beispiel dafür, was der Tübinger Literaturwissenschaftler Jürgen Wertheimer als Verlust des Gefühls für die Stimmigkeit der Sprache bezeichnet.

Werden die Artikel von Fachwissenschaftlern, die die SWP veröffentlicht, von Journalisten der Ulmer Lokalredaktion überhaupt gelesen?

Quellen:

(1) Jürgen Wertheimer, Die fatale Kunst nichts zu sagen. SWP/9.8.12

(2) Unheimliches Ulm. SWP/17.7.2012

9.8.2012