Das neue Logo

Professor Dr. Raimund Doedel ist Leiter einer der größten Werbeagenturen Europas. Vor kurzem war er Gast in Ulm, um unserem verehrten Oberbürgermeister und unseren ideenlosen Räten dabei behilflich zu sein, aus der langweiligen und kleingeistigen Stadt an der Donau eine Marke zu machen. Erschöpft von dieser Sisyphusarbeit landete der Professor am späten Abend hier im Wirtshaus Donaufisch.

Ich schwöre, meine fest Absicht war, den kompetenten Mann in Ruhe zu lassen, ihn nicht noch nach einem anstrengenden Tag mit Fragen der Gestaltung und der Werbung zu drangsalieren. Doch wie das Schicksal so spielt: Nach dem dritten Viertel Rotburgunder stieß der Professor einen schrillen Schrei aus und rief so laut, dass es alle Gäste hören mussten: „Wer hat denn das verbrochen?“

Sein Blick war auf unser Donaufisch-Logo gefallen, das gerahmt im Gastraum an der Wand über dem Stammtisch hängt, gleich neben dem Bild unseres geschätzten SPD-Landtagsabgeordneten Martin Rivoir.

Fisch

donaufisch.de – virtuelles Gasthaus in Ulm
Literatur & Politik

Um weiteres Aufsehen zu vermeiden, begab ich mich sogleich an Professor Doedels Tisch und erkundigte mich, ob er Wünsche habe. „Wünsche? – Das kann man wohl sagen. Hängen Sie das entsetzliche Bild dort ab und lassen Sie sich von Fachleuten ein Logo entwerfen, das unverwechselbar und einprägsam ist.“
Ohne meine Reaktion abzuwarten und ohne Luft zu holen, fuhr der Professor eifrig fort: „Dieses Logo“, dabei deutete er auf unser Bild an der Wand, „zeigt weder Selbstbewusstsein noch Vision. Der entscheidende erste Eindruck ist miserabel. Ein kalter, glitschiger Fisch … Emotional totale Fehlanzeige! Das Logo zeugt von einem unterentwickelten ästhetische Bewusstsein. Machen Sie Ihr virtuelles Gasthaus erlebbar! Schaffen Sie Aufenthaltsqualität!“

Am Morgen nach diesen Empfehlungen Professor Doedels wandten wir uns umgehend an eine Münchener Werbeagentur, die den Auftrag erhielt, ein neues DF-Logo zu kreieren. Nun, drei Wochen später, ist es da. Wie gefällt es Ihnen? Der DF-Stammtisch findet es umwerfend. 18.000 € hat es gekostet. Dieses Geld ist das neue Logo auf alle Fälle wert. Oder? Vielleicht fehlt noch die Vokabel „konsequent“. Aber sonst… – Tadellos!

DF.Logo2013

12.7.2013

Werbung

Ulm – vergönnert, verkulitzt und verwetzigt.

Wir brauchen in Ulm keinen Markenberater. Die Stadt hat ihre eigenen Marken: Ivo Gönner, den Oberbürgermeister, Peter Kulitz, den IHK-Vorsitzenden, Alexander Wetzig, den Baubürgermeister, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Ist es nicht der uns anhaftende kleine Makel, der uns Menschen sympathisch macht? Die Schwäche? Der liebenswürdige Fehler? Wer liebt schon ein Genie, einen großen Feldherrn oder Politiker? Auch die Helden im kleinen gallischen Dorf Aremorica, das heute die ganze Welt kennt, hatten Fehler.

Ein Bürgermeister einer kleinen schwäbischen Stadt, der immer einen Scherz parat hat und nie den Geburtstag eines älteren Mitbürgers auslässt, der immer davon redet, dass seine Taschen leer seien und dabei seit seinem Amtsantritt einen Schuldenberg aufgehäuft hat wie kein Ulmer OB jemals zuvor, der sich für Paradekonzerte engagiert als ginge es darum, das wichtigste Kulturgut zu bewahren, und tags darauf, in die Rolle des kosmopolitischen Europapolitiker schlüpft, um in der Operette „Das Bündnis der Donaustädte“ mitzuwirken…

Ein IHK-Chef, der als Aufsichtsratsvorsitzender eine Bank beinahe in den Abgrund manövriert, häufig fordert, Politik müsse moralisch sein, es aber nicht als unmoralisch empfindet, wieder für den Aufsichtsrat der Bank zu kandidieren, der sich sofort ins Bild drängt, wenn ein Pressefotograf Aufnahmen macht und keine Chance verstreichen lässt, sich an prominente Politiker ranzuwanzen, um an deren Publizität teilzuhaben, der 200.000 Euro, Geld – das nicht ihm gehört – großspurig der Ulmer Bauverwaltung für personelle Verbesserungen anbietet, der Jugendlichen aus armen Familien Auslandsaufenthalte empfiehlt, damit sie ihre Chancen im Berufsleben verbessern …

Ein Baubürgermeister, der seine Städtebauvisionen pflegt und dabei ganz vergisst, dass vorhandene Bauwerke instand gehalten werden müssen…

Sind das nicht originelle Bestandteile einer originellen Marke? Ulm ist eine vergönnerte, verkulitzte und verwetzigte Stadt geworden – das macht sie ganz unverwechselbar und verschafft ihr in der Welt einen einzigartigen Ruf.

Vielleicht sollte das Rathaus Felix Huby beauftragen, eine kleine Serie fürs Fernsehen zu schreiben. Der Stoff? Ist doch klar: Ulms Helden – umgänglich und sympathisch, aber völlig unfähig in Sachen Sparsamkeit; christlich tugendhaft, aber prahlerisch mit übersteigertem Geltungsbedürfnis; einen ausgeprägten Sinn für das Schöne, aber ohne Blick für das Notwendige. Und wie heißt der Titel der neuen Serie? „Ulm – vergönnert, verkulitzt und verwetzigt.“

11.11.2009

Napoleonfestspiele in Ulm

UlmerFestspiele

Zur Handlung

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1. Szene: Abend. Alle Kirchenglocken läuten. Unter donnerndem Salut der bayerischen Garnison rollt eine grüne Kutsche über die Donaubrücke. Eskortiert von schmucken Gardejägern passiert sie das Herdbruckertor. Es ist der 22. Oktober 1809. In der Kutsche sitzt der mächtigste Mann der Welt: Napoleon Bonaparte. Mehrere siegreiche Schlachten gegen die Österreicher liegen hinter ihm. In seiner Tasche steckt der Schönbrunner Friedensvertrag. Er ist auf der Heimreise von Wien nach Paris. In Ulm muss er eine wichtige Angelegenheit klären.

2. Szene: Die Kutsche hält vor einem herrschaftlichen Gebäude. Bedienstete hasten herbei. Der Hausherr des Regierungspalais, Freiherr Karl Ernst von Gravenreuth, der bayerische Regierungspräsident, eilt die Treppen seines Amtssitzes hinunter, um den hohen Gast zu begrüßen. Dieser weilt zum zweiten Mal in Ulm. Fast auf den Tag genau vier Jahre zuvor war Napoleon vor den nördlichen Stadtmauern gestanden, wo 25.000 geschlagene Österreicher paradiert und Waffen und Pferde abgeliefert hatten.

3. Szene: Gravenreuth neigt sein Haupt ehrerbietig. Grenadiere des Ulmer Bürgermilitärs stehen Spalier. In würdevoller Haltung mit ernster Miene schreiten die beiden Männer durch das Hauptportal des klassizistischen Bauwerkes, während ein Kutscher mit lauter Stimme flucht und unverständliche Worte vom Kutschbock herunter brüllt.

4. Szene: Ein prächtiger Saal. Angesehene Bürger und Bürgerinnen sind versammelt. Napoleon blickt in die Runde und sagt: „Ülm – Unique! Libre! Magnifique!“ Sodann eröffnet er dem Freiherrn von Gravenreuth, dass Bayern die Stadt Ulm an Württemberg abtreten müsse. Ein Raunen erfüllt den Raum. Zwei der anwesenden Damen blicken verzückt auf den großen Franzosen. Die Gesichter der Herren zeigen große Freude. Der Stadtchronist lächelt und wiederholt: „Unique, libre, magnifique“ – Bravo! Bravissimo! Einfach genial dieser Mann, einfach genial!“

5. Szene: Napoleon steigt in die wartende Kutsche. Diese rollt durch die Frauengasse zum nördlichen Stadttor– auf behördliche Weisung hin ist die Gasse auf beiden Seiten hell erleuchtet. Jubelrufe erschallen: „Hoch lebe Napoleon!“ „Unique! Libre! Magnifique!“ „Hoch lebe ULM! „Die Einzigartige, die Freie, die Prächtige!“Die Nachricht, dass Ulm vom bayerischen Joch befreit wurde, hatte sich in der Stadt rasch verbreitet. Die Kutsche mit dem winkenden Kaiser entschwindet im Dunkel der Nacht. Im Schloss in Ludwigsburg wartet bereits ungeduldig der König von Württemberg auf den mächtigsten Mann der Welt.

Die Resonanz der Wirtschaft und der großen Politik auf die Veröffentlichung unserer Marketingidee ist bislang durchweg positiv. So erklärte das ortsansässige Unternehmen Ratiofarm, rechtzeitig zum Premierentag ein neues Medikament gegen Depression und Minderwertigkeitsgefühle auf den Markt zu bringen, das den Namen Napulmeon.forte tragen werde. Aus Brüssel erreichte uns ein Anruf des zukünftigen EU-Kommissars Günther Oettinger, der uns seine voll Unterstützung bei der Beantragung und Erlangung von Subventionen zugesichert hat. Während der Wiener Oberbürgermeister Michael Häutl nicht an der Premiere teilnehmen wird, hat der französische Staatspräsident bereits seinen Besuch zugesagt und sogar angeboten, die Hauptrolle zu übernehmen.

2.11.2009

Ulm als Marke

 Ulm soll eine Marke werden. Seit Jahren träumen sie im Rathaus davon. Daimler Benz kennt jeder – auf der ganzen Welt. Aber Ulm? Allen Menschen, allen Unternehmern, allen Reisenden soll sofort die Donaustadt einfallen, wenn sie überlegen, wo sie gerne wohnen, wo sie am besten produzieren und wohin sie am liebsten reisen würden. Im Rathaus läuft schon manchem der Sabber aus dem Mund, wenn er daran denkt, wie eine gute Vermarktung des Städtchens die Kassen bis zum Rand füllt.

Erwartungsvoll lud man deshalb einen Züricher Fachmann in die Münsterstadt. Professor Dr. Jürgen Häusler kam ins Stadthaus und verzauberte das Auditorium. Aus Ulm eine Marke machen? Ein Kinderspiel für den Marketingexperten: „Schaffung eines vielfältigen kommunikativen Systems…eine auf das Wesentliche reduzierte Botschaft kreieren…sich dabei des minimalistischen Ulmer Stils bedienen… denn Ulm hat alles, was zur Marke taugt: den Spatz, das Münster, Einstein und die Universität…kurzum: Zurückhaltung, klare Linien, Konzentration und – ganz wichtig – Briefköpfe, Schriftzüge und Logos aller Institutionen und Organisationen Ulms brauchen eine einheitliche Gestaltung.

Am Ende saßen die blassen Provinzräte mit offenen Mündern vor dem Vortragenden: Frau Kühne von der SPD fasste die allgemeine Stimmung in Worte: „Wir brauchen den großen professionellen Draufblick, und den bekommen wir jetzt.“ Der Professor wurde engagiert. 120.000 Euro erhielt er, damit er weiter darüber sinniere, wie aus Ulm eine Marke werde. Ein dreiviertel Jahr verging, dann ließ der Professor das Rathaus in einem Brief wissen, dass ihm zu Ulm trotz aller Anstrengungen immer nur „Nebel“, „Langeweile“ und „Kleingeistigkeit“ einfalle, sich daraus aber keine Marke entwickeln lasse. Deshalb schickte er beiliegend 120.000 Euro plus 5.000 zusätzlich zurück und bat um sofortige Entlassung aus städtischen Diensten.

An dieser Stelle der Geschichte kommt das Gasthaus Donaufisch ins Spiel. Eine Stunde nach Eintreffen des Briefes aus Zürich richtete ein Mitarbeiter des Oberbürgermeisters telefonisch die dringende Bitte an den Wirt, bei der Ausarbeitung einer „Marke Ulm“ behilflich zu sein. Hinter uns liegt eine Woche anstrengenden Brainstormings und erschöpfender Diskussionen, aber mit einem Ergebnis, das auch Sie überzeugen wird. Ausgangspunkt unserer Marketingstrategie ist eine große historische Gestalt, die mit der Stadt verbunden und überall in der Welt bekannt ist: Napoleon Bonaparte. Zweimal weilte Napoleon in Ulm, insgesamt 4 Stunden und 37 Minuten, verteilt auf einen Tag im Jahr 1805 und einen 1809. Bei einiger Vereinfachung (was ja beim Marketing immer nötig ist) könnte man sagen, dass er Ulm die Freiheit schenkte, indem er die Stadt aus den Klauen der Bayern befreite.

Dieser Akt steht im Zentrum der „Napoleonfestspiele“, die alljährlich auf der Wilhelmsburg Ulms aufgeführt werden. Dabei darf die Stadt mit etwa 1.000.000 Besuchern aus aller Welt rechnen, mehr als bei den Oberammergauern Passionsfestspielen, die uns als Inspirationsquelle dienten. Die Donaumetropole wird in Verlauf eines Jahrzehntes in ganz Europa, in Nordamerika, in Asien und hier vor allem in Japan zu einem Synonym für einzigartig, frei und prächtig („unique, libre, magnifique“; alternativ für den englischen Sprachraum: „unique, liberal, magical“).

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Napoleon in Ulm.

Festspiel in fünf Szenen
Nach einer Idee von Theophil Quasselstrippe

KaiserGönner

2.11.2009