Das Vetterntor

Sind sie nicht wunderbar – die beiden eben fertig gestellten Gebäude auf den Fotos? Von unverwechselbarer Form? Aus bezauberndem Material? Mit betörend schön gestalteten Fassaden? Kurzum von unwiderstehlichem Charme?

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Die konsequente architektonische Fortsetzung der Neuen Mitte, wie sie von Stefan Braunfels und Wolfram Wöhr unter Mitwirkung des Ulmer Baubürgermeisters Alexander Wetzig erschaffen wurde. Das eine Gebäude steht schräg gegenüber vom Ulmer Theater und trägt den klangvollen Namen Wengentor. Das andere befindet sich an der Kreuzung von Neuer Straße und Frauenstraße und ist leider noch ohne Namen.

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Napoleontor würde sich anbieten, da der französische Kaiser 1805, wie es heißt, hier mit seiner Kutsche vorbei gekommen sein soll. Auch Einsteintor wäre eine Option, da Albert Einstein nachweislich als Säugling im Kinderwagen hier von seiner Mutter spazieren gefahren wurde.

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Die Geschichte, wie es zum Bau des Wengentores kam

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2009 veranstaltete die Stadt Ulm eine Ausschreibung. Potenzielle Bauherrn und Architekten ihrer Wahl sollten Entwürfe vorlegen, wie sie sich die Bebauung eines Grundstückes vorstellten, das der Stadt gehörte.

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Acht Investoren nahmen am Ausschreibungsverfahren teil (sog. Gutachterverfahren), drei kamen zunächst in die engere Wahl. Baubürgermeister Wetzig und ein paar Mitglieder des Gemeinderates, die im zuständigen Ausschuss saßen, trafen einstimmig die Entscheidung: Bauen dürfen Christoph und Markus Botzenhart und deren Architekt Dr. Max Stemshorn.

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Die beiden Brüder waren in der Vergangenheit Gemeinderäte. Ihr Vater, Udo Botzenhart, wirkte über viele Jahre mit großem Einfluss und besten Beziehungen an der Ulmer Kommunalpolitik mit. Die meisten, die in der Bauverwaltung an entscheidender Stelle sitzen oder im Ausschuss über die Vergabe zu entscheiden hatten, sind persönlich mit der Söflinger Familie Botzenhart bekannt. Der Architekt Dr. Max Stemshorn war früher Referent des Ulmer Baubürgermeisters.

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Wetzig und die Ausschussmitglieder entschieden sich also beim Zuschlag für ihre Vettern Botzenhart und Stemshorn. Im November 2010 stimmte der Gemeinderat dem Satzungsbeschluss zu.

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Empört waren aber die Grünen. Sie kritisierten, dass der Gemeinderat an den Entscheidungen nicht angemessen beteiligt gewesen sei. Außerdem habe die endgültige Planung in „Grundriss, Form und Höhe“ nichts mehr mit dem ursprünglich bei der Ausschreibung eingereichten Entwurf zu tun.

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Produktivkraft Vetternwirtschaft

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Wir vom DF-Stammtisch finden überhaupt nichts Untadeliges an der Ulmer Vetternwirtschaft. Verdiente Ulmer müssen eine bevorzugte Behandlung genießen. Was sind schon der Verkauf eines städtischen Grundstückes und die großzügige Beurteilung eines Bauplanes in Anbetracht der Dienste, die die Familie Botzenhart der Stadt Ulm geleistet hat?

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Außerdem sollten wir nie vergessen, wie segensreich sich der Botzenhart-Neubau auf die lokale und regionale Wirtschaft auswirkt. Arbeitsplätze entstehen. Umsätze werden generiert. Gewerbesteuer fließt der Stadt zu. Sie sehen, verehrte Leser, es gibt unzählige Gründe, das Bauprojekt der Familie Botzenhart durch die Stadt Ulm zu fördern.

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Gehen wir mutig einen Schritt weiter. Setzen wir ein Zeichen. Bekennen wir uns zur Vetternwirtschaft. Vetternwirtschaft muss vom schlechten Beigeschmack befreit werden. Als erfahrene Praktizierende einer produktiven Vetternwirtschaft sollten Ulmer vorangehen.

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Nennen wir das neue Gebäude doch einfach „Vetterntor“.

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 /18.12.2013

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Schwörmontag 2011

Der jahrhundertealte Schwur, der jedes Jahr beim traditionellen Schwörmontag vom Oberbürgermeister Ulms am Ende seines Rechenschaftsberichtes auf dem Weinhof geleistet wird, bekam eine zeitgemäße („innovative“)Form.

Oberbürgermeister und Räte der Donaustadt hatten erkannt, dass es an der Zeit ist, die alte Schwörformel zu überarbeiten. Wer versteht denn heute noch die Worte: „Reichen und Armen ein gemeiner Mann zu sein…“?

Deshalb schrieb die Stadt bereits im vergangenen Jahr einen Dichterwettstreit aus. Unter den eingereichten Texten wurde der des Ulmer Donaufischwirtes Quasselstrippe ausgewählt.

Fortan lautet der neue Ulmer Schwur, den Oberbürgermeister Gönner erstmals öffentlich in seiner Schwörrede am 18.7.2011 leisten wird:

Ich schwör zu helfen jedem Vetter
Auch wenn es gibt ein Donnerwetter
Wenn Lug und Trug und Geld vonnöten
So schlucke ich auch diese Kröten
Dem Vetter schwör ich Hilf und Treue
Und wart, bis er auch mich erfreue
Vetternwirtschaft ist das Wahre
Das jedem Ulmer widerfahre
Der zu den Auserwählten zählt
Und mich zum Bürgermeister wählt
Bei allen Göttern – ja, ich schwöre
Dass ich die Vetternwirtschaft ehre

13.7.2011

Ein Lob der Vetternwirtschaft

Dieser Tage wurde allen Zweiflern in der Stadt vom Chef der Lokalzeitung ausführlich erklärt, warum wir Ulmer Bürger den besten OB haben, den wir uns nur vorstellen können. Andere Städte wünschten sich so einen, die Landesregierung gar höre auf ihn und schließlich vereinige er in seiner Person eine große Anzahl bürgerlicher Tugenden, die alle nur zu unserem Nutzen seien : Anstand, Fleiss, Tatkraft und Bodenhaftung.Die Lobpreisung gipfelt in einem Gedanken, der absonderlicher gar nicht mehr sein könnte: Dieser Oberbürgermeister betreibe auch eine Vetternwirtschaft, wie man sie sich besser und gerechter nicht vorstellen könne. Die mit Gönners Amtsführung verbundene Vetternwirtschaft – sie wird mit keinem Wort bestritten – sei weder juristisch zu beanstanden noch moralisch verwerflich, sie sei gleichsam naturgegeben. Unter allen Vorgängern des Oberbürgermeisters habe es „Netzwerke“ gegeben, nur keiner habe sie so ausgewogen und gerecht gestaltet, denn : schließlich gebe es über alle Fraktionsgrenzen hinweg in allen Fraktionen Nutznießer. Seit Jahren führen wir eine gesellschaftliche Diskussion über zunehmende Politikverdrossenheit: die Zahl der Nichtwähler steigt und eine Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung ist feststellbar. Zweifellos sind die Ursachen dieser Entwicklungen vielfältig. Sicher aber ist, dass die Politikverdrossenheit durch das Verhalten politischer Akteure gefördert oder gehemmt werden kann (nicht durch ihre Reden) . Wer es für legal und moralisch tolerierbar hält, dass Bürgermeister und Gemeinderäte sich gegenseitig durch ihre Ämter Vorteile verschaffen, fördert Politikverdrossenheit.
Es wird in demokratischen Systemen immer darum gehen, Vetternwirtschaft einzudämmen, zurückzudrängen. Versagen die Institutionen und ihre Kontrollgremien (z.B. die Presse), verliert das System zunehmend an Glaubwürdigkeit und an Stabilität. Deshalb ist es äußerst befremdlich von einem Ulmer Journalisten ein Lob auf die lokale Vetternwirtschaft zu hören.
Sind da Kritikfähigkeit und Distanz durch allzu große Nähe zum Oberbürgermeister auf der Strecke geblieben? Außer dem Verlust an Glaubwürdigkeit hat die Vetternwirtschaft noch eine weitere negative Konsequenz: finanziellen Schaden, der der Allgemeinheit zugefügt wird.
Wieviel tausend Euro kostet die Stelle des Donaubüroleiters den Stadthaushalt Monat für Monat? Ein Mann wie Peter Langer ohne spezifische Qualifikation wird dafür bezahlt, dass er einen Job macht, der gar nicht gebraucht wird. Das ist die hohe Kunst der Geldverschwendung. Ich verstehe, dass so etwas Verdruss schafft.

/ 14.4.07