Der Bäcker von Ulm

Wir Ulmer können alles : Bäcker liefern Parlamentarismuskritik, Blogger verbreiten die Lehren des Vatikans und Quasselstrippe backt jetzt sein eigenes Brot nach eigener Rezeptur

Kennen Sie Daniel Düsentrieb? Das ist der große Erfinder Entenhausens. Nur nützliche Dinge hat Düsentrieb erfunden, wie das Telefon mit eingebautem Bügeleisen, das tragbare Loch oder den Brotschmierapparat. Der Ulmer Bäcker Walter Feucht ist so eine Art Daniel Düsentrieb. Er fing vor 25 Jahren als Lkw-Fahrer und Bäcker an, erfand eine geniale Backmischung, aus der das weltbekannte Jogging-Brot gebacken wird, und ist seither ein gemachter Mann mit eigener Firma in Neu-Ulm, Melrose (USA) und Krakau (Polen), in der 120 Mitarbeiter tätig sind. Während der unternehmerische Erfolg Feuchts unbestritten ist, gerät seine Neigung, sich auf allen Gebieten für kompetent zu halten, zunehmend in die Kritik.

2006, also noch zwei Jahre vor dem Direktor des Donaubüros Peter Langer, erhielt Feucht das Bundesverdienstkreuz. Wofür er es bekommen hat, konnte unsere Recherche nicht ermitteln. Sicher ist, dass die Verleihung des Ordens in keinem Zusammenhang mit Feuchts Tätigkeit in führender Position beim SSV Ulms während der Zeit steht, als hochtrabende Fußball-Bundesligapläne den Verein zahlungsunfähig machten und an den Rand eines Konkurses führten. Nun ist der Bäcker von Ulm ins Visier der Bildungsakademie des deutschen Handwerks geraten, weil er sich in einem Ulmer Magazin unter dem Titel „Die unstillbare Gier“ über die deutsche Volksvertretung lustig gemacht hat. Feucht schrieb: „Recht so, liebe Abgeordnete, ihr verdient viel zu wenig! Wäre dieser Job im Bundestag ordentlich bezahlt…wäre die Chance wohl größer, dass sich ein paar richtige Könner in diese Aufgabe verirren. So haben wir alle vier Jahre den Berliner Auftrieb an Grundschullehrern, Beamtenvertretern, Gewerkschaftsfunktionären, Verbandsgeschäftsführern, Zweitklassejuristen und Zweckverbandsfuzzis, Bürgermeistern, Quasseltanten, Sportinvaliden und ähnlichen, die über Wohl und Wehe der bisher drittgrößten Volkswirtschaft der Welt entscheiden sollen.“

Die Bildungsakademie des deutschen Handwerks will diese herabsetzenden Äußerungen über die Volksvertretung nicht unwidersprochen hinnehmen. Wer so rede, mache die Demokratie und den Parlamentarismus verächtlich, fördere die Politikverdrossenheit und leite Wasser auf die Mühlen der Neonazis. Deshalb verlangte sie, dass der Bäcker sich in Zukunft nur noch in Angelegenheiten äußere, von denen er auch etwas verstehe, z.B. von Backmischungen oder von demokratischer Teilhabe der Mitglieder bei der IHK Ulm. Auch empfahl sie ihm, an der Volkshochschule einen Kurs über die parlamentarische Demokratie zu belegen. Die Handwerksakademie meinte, dass auch von Menschen mit bescheidenem Bildungshintergrund, die in der Gesellschaft eine herausgehobene Stellung einnähmen, eine vernünftige und verantwortliche Haltung und eine maßvolle Kritik erwartet werden dürfe.

Unser Donaufisch-Stammtisch empfiehlt Herrn Feucht die Lektüre des Buches von Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus. Dort legte der Staatsrechtler bereits 1926 dar, warum er den Parlamentarismus ablehnt. Den Nationalsozialisten gefiel Schmitts Buch außerordentlich gut, weil es ihnen ihre wichtigsten Argumente lieferte, um die Entmachtung des Parlamentes wirkungsvoll zu begründen. Schmitt sprach vom Berliner Reichstag als einer „Schwatzbude“, Herr Feucht spricht nun von einem „Auftrieb“, ein Wort, das für gewöhnlich nur bei Viehmärkten angewandt wird.

4.7.08