ASB Ulm in der Krise

Früher genoss der 1923 gegründete Arbeiter-Samariter-Bund Ulm hohes Ansehen. Die Mitarbeiter transportierten Kranke, unterhielten einen Rettungsdienst und leisteten Fahrdienste für körperbehinderte Kinder. Man zählte auf ehrenamtlich Tätige, erst 1968 wurde der erste hauptamtliche Fahrer für den Krankentransport eingestellt. Generationen Zivildienstleistender (darunter so bekannte wie der Ulmer Oberbürgermeister Gönner) leisteten beim ASB Dienst. Jeder Ulmer kannte und schätzte den ASB.

Anfang der 1990er Jahre übernimmt der ASB immer mehr Aufgaben, er will ein „modernes Dienstleistungsunternehmen des Sozialbereichs“ werden. Zunehmend weitet er seine Angebote aus, für Jugendliche, Familien, Behinderte, Alte. Eine Seniorenresidenz wird 2005 eröffnet, ebenso Hausgemeinschaften und ein Gesundheitszentrum 2007 in Giengen. Das Zauberwort heißt Wachstum. Nach Aussagen des ehemaligen Geschäftsführers Martin Grünitz verdoppelte sich zwischen 2004 und 2008 die Zahl der Mitarbeiter und der Umsatz.

2008 beträgt die Zahl der Mitglieder des ASB Ulm 11.100 und 539 Voll- und Teilzeitkräfte arbeiten für den Samariterbund. Aus einem eingetragenen Verein, der sich der „freien Wohlfahrtstätigkeit“ verschrieben hatte, war ein Unternehmen geworden, das sich in Konkurrenz zu anderen auf einem kapitalistischen Gesundheitsmarkt behaupten wollte.

Erst 2008 war der Landesverband Baden-Württemberg des ASB darauf aufmerksam geworden, dass es im Ulmer Regionalverband erhebliche Probleme gab. Heute, im April 2011, ist der gesamten Umfang dieser Probleme bekannt: Defizite (2007: 1,2 Millionen Euro, 2008: 1,4 Millionen, 2009: 1,5 Millionen, 2010: 150.000 Euro). Gravierende Schlampereien bei der Buchhaltung. Mängel in der Pflege, festgestellt vom Medizinischen Dienst in einem Bericht über das ASB-Pflegeheim.

Hätte nicht der Landesverband ordnend und unterstützend seit Februar 2008 eingegriffen, wäre der ASB Ulm bankrott und wahrscheinlich gar nicht mehr existent. Der Entlassung des Geschäftsführers Martin Grünitz 2008 folgte der Rücktritt der Vereinsvorsitzenden Hilde Mattheis, die auch SPD – Bundestagsabgeordnete ist.

Im Juli 2009 wurde der ASB Ulm sozusagen entmündigt, der Landesverband setzte zwei Sanierer vom ASB Heilbronn ein (Rainer Holthuis und Franz Czubatinski); unter Einbeziehung des Betriebsrates und der Gewerkschaft Verdi sollte ein Plan zur Sanierung des ASB Ulm ausgearbeitet werden.

Große Teile der Verwaltung des ASB in Ulm (Geschäftsführung, Buchhaltung, Personalverwaltung) werden seitdem von Heilbronn aus erledigt. Eine Tagespflegestätte, eine Werkstatt, ein kleines Pflegeheim wurden geschlossen, ein Fahrdienst eingestellt und das Gesundheitszentrum in Giengen abgegeben; die Verträge mit Lieferanten, Kunden und Geschäftspartnern wurden neu verhandelt, 45 Mitarbeiter ausgetauscht oder gekündigt.

Offenbar zeigt die Sanierung Erfolge, wenngleich eine abschließende Beurteilung noch nicht möglich ist: Das Defizit des ASB Ulm betrug 2010 „nur noch“ 150.000 Euro.

Verantwortung für die Krise des ASB Ulm

Im Februar 2009 gab der ehemalige Geschäftsführer des ASB Ulm Martin Grünitz, der heute ein Pflegeheim in Ulm leitet, dem Stadtmagazin Spazz ein Interview. Er berichtet darin über seinen Werdegang vom Zivi beim ASB (1994) bis zum Geschäftsführer (2004). Grünitz ringt sich zum Eingeständnis einer Teilschuld durch, indem er sagt:

„Natürlich habe auch ich sicher an der einen oder anderen Stelle persönliche Fehler gemacht. Ich bin 2004 als junger Geschäftsführer mit relativ wenig Erfahrung dazugekommen. Da passieren Fehler zwangsläufig.“

Ganz anders sieht die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis ihre Verantwortung als ehemalige Vereinsvorsitzende des ASB Ulm. Sie wurde im September 2009, also kurz vor der Bundestagswahl, ebenfalls vom Stadtmagazin befragt und sagte zu ihrer Rolle beim ASB:

„Sie müssen wissen, dass beim ASB der Rechtsträger der Landesverband ist, dass man als …Vorstand eines Regionalverbandes immer abhängig ist von der Übereinstimmung mit dem Landesverband und dass das Handeln beim Rechtsträger liegt…Man hat als Vorstandsvorsitzende immer nur die Möglichkeit, eingeschränkt in einen Betrieb zu schauen und ist natürlich von denen, die im operativen Geschäft sind, abhängig.“

Der Interviewer fragte nach: Es gibt Kritiker, die Ihnen vorwerfen, die Schuld auf andere Akteure geladen zu haben und sich selbst rausgenommen zu haben… Mattheis Antwort: „Ich glaube, dass das nach zwei Jahren kein Thema mehr ist…“

Auf erneute Nachfrage: Ist das Thema totgeschwiegen worden? antwortet Hilde Mattheis: „Warum sollte das totgeschwiegen werden? Und welches Thema? Das weiß ich nicht!“

Das Magazin: Es ist nicht stark aufgetaucht in den Ulmer Medien und war schnell vom Tisch… Darauf die ehemalige Vereinsvorsitzende Mattheis: „Das ist Ihre Bewertung – meine nicht! Es gab da eine in meinen Augen ausführliche Berichterstattung.“

Am 28.2.2008 war ein Bericht über die Krise des ASB Ulm in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erschienen. Dort steht zu lesen, dass die Zeitung die Vereinsvorsitzende Mattheis lange vor Bekanntwerden der Krise des ASB Ulm mit Gerüchten über finanzielle Probleme des Vereins konfrontiert habe. Und wie reagierte Frau Mattheis damals? Sie wies die Gerüchte „entschieden zurück“ und erklärte, sie seien „im höchsten Maße rufschädigend.“

3.4.11

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